Nachruf auf einen Kämpfer gegen Rassismus und für Versöhnung

Desmond Tutu ist tot – Auch Papst trauert um Südafrikas Nobelpreisträger

  • Der frühere anglikanische Erzbischof in Südafrika, Desmond Tutu, ist tot.
  • Sein Kampf gegen Rassismus und Apartheid brachte ihm den Friedensnobelpreis ein.
  • Papst Franziskus erklärte, Tutu habe ihn inspiriert.

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Desmond Tutu ist tot. Südafrika hat die vielleicht letzte seiner großen moralischen Instanzen verloren. Am zweiten Weihnachtstag starb der Friedensnobelpreisträger im Alter von 90 Jahren in Kapstadt. Die "Regenbogennation", von der Tutu träumte, musste er als Rumpfprojekt zurücklassen – wenn nicht gar als Bauruine.

Tutu wurde am 7. Oktober 1931 geboren. Als Methodist getauft, doch als Anglikaner erzogen, arbeitete er zunächst als Lehrer. Aus Protest gegen die rassistische Bildungspolitik der Apartheid-Regierung gab er seine Stelle 1957 auf und entschied sich für eine geistliche Laufbahn in der anglikanischen Kirche.

Hoffnungsträger in Südafrika

Nach dem Studium in Südafrika und England und der Diakonatsweihe in London arbeitete er dort als Funktionär des Weltkirchenrats. 1975 wurde Tutu Superintendent in Johannesburg, 1976 Bischof von Lesotho, 1978 Generalsekretär des Südafrikanischen Kirchenrates (SACC), dem Dachverband von 23 Kirchen und 11 religiösen Vereinigungen.

Als seit Mitte der 1970er Jahre die meisten politischen Schwarzen-Führer im Gefängnis saßen oder ermordet wurden, wuchs Tutu mehr und mehr in die Rolle des schwarzen Hoffnungsträgers gegen den Apartheid-Staat hinein. 1976 erregte er Aufsehen mit einem Offenen Brief an den damaligen Premierminister Balthazar Johannes Vorster. Ungeschminkt machte er darin die Regierung für die blutigen Unruhen von Soweto verantwortlich.

Aufrufe gegen das eigene Land wegen der Apartheid

Mehrfach zogen die weißen Machthaber seinen Pass ein, verhafteten ihn. Doch sogar noch vor Gericht klagte er die vermeintlich christlichen Politiker an, die ihre Parlamentssitzungen mit einem Gebet begannen, um danach rassistische Gesetze zu verabschieden.

Je mehr der Bischof an weltweitem Ansehen erwarb, desto weniger angreifbar wurde er im eigenen Land. Tutu scheute sich nicht, im Ausland zum Wirtschaftsboykott gegen sein eigenes Land aufzurufen.

Erster schwarzer Bischof von Johannesburg

Für seinen "gewaltlosen Einsatz gegen das Apartheid-Regime" wurde er 1984 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Auch das Große Bundesverdienstkreuz erhielt er.

1984 wurde Tutu als erster Schwarzer zum anglikanischen Bischof von Johannesburg gewählt. Nur zwei Jahre darauf folgte die Ernennung zum Erzbischof von Kapstadt und damit zum Oberhaupt der zwei Millionen Anglikaner des Landes.

Kritik an „Politisierung“ des Amts

Seine Wahl stieß jedoch auch auf Kritik: Viele weiße Anglikaner – durchaus nicht nur Freunde des Systems – sahen in ihr ein "billiges Nachgeben" gegenüber dem militanten schwarzen Lager und befürchteten eine Politisierung des Amtes – nicht zu Unrecht.

Auch in den Jahren, in denen er ausdrücklich Partei für den ANC ergriff, sprach Tutu als Kirchenmann – und als Christ. Tutu vertrat den Standpunkt: "Was können sie mir letztlich antun? Der Tod ist das Schlimmste, was sie mir antun können, aber der Tod ist nicht das Schlimmste, was einem Christen passieren kann."

Weiße wie Schwarze wendeten sich ab

Auch für den Kirchenmann Tutu galt: Wer sich einsetzt, setzt sich aus. Konservative Weiße verließen die Kirche, weil ihnen Tutus Version der Befreiungstheologie zu radikal war. Radikale Schwarze dagegen verurteilten ihn, weil er von Versöhnung sprach.

Mit dem schrittweisen Ende des Apartheid-Staates Anfang der 1990er Jahre war die "moralische Wende" in Südafrika noch lange nicht geschafft. Auch wenn Tutu ab 1996 sukzessive von seinen kirchlichen Ämtern zurücktrat: aufs Altenteil zog er sich nicht zurück. Die wohl undankbarste Aufgabe stand dem "Quälgeist" (Tutu über Tutu) noch bevor: Ende 1995 ernannte ihn Staatspräsident Nelson Mandela zum Vorsitzenden der "Kommission für Wahrheit und Versöhnung".

Leiter der „Wahrheitskommission“

Sie hörte Opfer und Täter des Apartheid-Systems an – 20.000 Fälle der Jahre zwischen 1960 und den ersten freien Wahlen 1994 wurden in drei Jahren untersucht. Freunde konnte sich der streitbare Bischof auch damit nicht machen.

Nicht nur die ehemaligen Machthaber, darunter Friedensnobelpreisträger Frederik Willem de Klerk, brachen mit der Kommission; auch die ehemaligen "Opfer" des nun regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) versuchten, die Veröffentlichung des 3.500 Seiten langen Abschlussberichts im Oktober 1998 zu verhindern. Denn die Kommission prangerte nicht nur die weißen Täter, sondern auch Folterungen, Attentate und Mordbefehle der Schwarzen-Organisationen schonungslos an.

Papst Franziskus hat Desmond Tutu für dessen Engagement gegen Rassismus gewürdigt. Das katholische Kirchenoberhaupt sei betrübt über den Tod des anglikanischen Erzbischofs, heißt es in einem Beileidstelegramm von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Es hebt Tutus unablässige Bemühungen um Frieden und Versöhnung in seiner Heimat hervor. Franziskus hatte Tutu – neben anderen bedeutenden Nichtkatholiken – in seiner jüngsten Enzyklika "Fratelli tutti" als Quelle der Inspiration erwähnt.

Das Oberhaupt der anglikanischen Weltgemeinschaft, Erzbischof Justin Welby von Canterbury, erklärte: "In Desmond Tutus Augen sahen wir die Liebe Jesu. In seiner Stimme hörten wir das Mitgefühl Jesu." Tutu sei ein Mann der Worte und Taten gewesen, "einer, der die Hoffnung und Freude verkörperte". | KNA

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