Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar

Deutsche und Polen erinnern gemeinsam an Nazi-Opfer in Recklinghausen

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Am 27. Januar ist der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Aus diesem Anlass erinnern zum Beispiel die Katholiken in Recklinghausen an die Opfer – erstmals gemeinsam mit der örtlichen polnisch-katholischen Mission.

Zum Gedenktag für alle Opfer der Nazi-Diktatur am 27. Januar lädt das Stadtkomitee der Katholiken in Recklinghausen zu einem besonderen Gottesdienst ein. In diesem Jahr wird er am Sonntag, 28. Januar, um 11 Uhr in St. Marien in Recklinghausen-Süd gefeiert.

Erstmals begeht das Stadtkomitee das Gedenken gemeinsam mit der in St. Marien auch beheimateten polnisch-katholischen Mission. „Die Erinnerung gilt deshalb den vielen polnischen Menschen, die in Recklinghausen als Bergarbeiter gearbeitet haben und nach 1933 diskriminiert wurden. Und außerdem den nach dem Überfall auf Polen getöteten oder als Zwangsarbeiter nach Recklinghausen und in andere Städte Verschleppten“, sagt der Vorsitzende des Stadtkomitees der Katholiken, Georg Möllers.

Verhaftungswelle in Recklinghausen

Zu den 249 verhafteten Mitgliedern katholisch-polnischer Vereine nach einem Erlass von Heinrich Himmler am 11. September 1939 gehörten in St. Marien Recklinghausen der Leiter des Rosenkranz-Vereins, Stanislaus Quisiszewski, und der Vorsitzende des St.-Michael-Vereins, Martin Olejnik. Quisiszewski kam nach einjähriger KZ-Haft frei. Der Berginvalide Olejnik wurde am 23. Dezember 1939 im Lager Buchenwald ermordet.

Besonders im Gottesdienst erwähnt werden Thaddäus Wilutzki und der katholische Priester August Wessing. Der 1913 geborene Wilutzki stammte aus einer Bergarbeiterfamilie. Sie lebte in einer Pfarrei in Recklinghausen-Hillerheide, in der seit Gründung 1911 Kapläne eingesetzt wurden, die gut Polnisch sprachen und in dieser Sprache auch Gottesdienste feierten. Später zog die Familie Wilutzki nach Polen.

Deportation nach Auschwitz

Am 30. August 1933 trat Thaddäus Wilutzki in das Augustinerkloster St. Katharina von Alexandria in Krakau ein und nahm den Ordensnamen Edmund an. Am 19./20. September 1941 wurden acht Augustiner, darunter Pater Edmund, verhaftet und in das Gefängnis in Krakau eingeliefert, dort tagelang verhört und gefoltert.

Der Haft folgte am 14. Oktober 1941 die Deportation in das Konzentrationslager Auschwitz. Pater Edmund wurde zu „Häftling Nr. 21863“. Die Misshandlungen führten am 22. November 1941 zu seinem Tod. Der Pater wurde 27 Jahre alt.

„Polen-Kapläne“ im Ruhrgebiet

Der 1880 in Gescher im Kreis Borken geborene August Wessing gehörte zu den Priestern im Bistum Münster, die für die Seelsorge der Zuwanderer ausgebildet worden waren. Er zählte zu den „Polen-Kaplänen“ in St. Antonius Recklinghausen. Später, als Pfarrer in Hoetmar im Kreis Warendorf, bezahlte er seinen Einsatz für polnische, russische und ukrainische Zwangsarbeiter mit dem Leben: Er wurde 1942 ins KZ Dachau eingeliefert, wo er am 4. März 1945 zu Tode kam.

In einem Verhör durch die Geheime Staatspolizei 1942 sagte Wessing: „Ich bin Seelsorger und kann in dieser Eigenschaft keinem Menschen, auch keinem Polen, Russen oder Juden gegenüber feindselig eingestellt sein.“

Warnung vor neuer Menschenfeindlichkeit

Für Pfarrer Aloys Wiggeringloh von der Pfarrei St. Antonius Recklinghausen ist das Gedenken nicht nur eine historische Erinnerung: „Es soll uns wachsam machen gegen jede Art von Terror, Gewaltherrschaft, Menschenfeindlichkeit und Rassismus.“

Pfarrer Rafal Kowalczyk von der polnisch-katholischen Mission erwartet zum Gottesdienst viele Besucherinnen und Besucher: „Die Geschichte des Nationalsozialismus ist noch sehr präsent. Der Gottesdienst ist ein wichtiger Beitrag zur Gedenkkultur.“

Kerzen als Zeichen der Verbundenheit

In Erinnerung an alle Opfer werden im Gottesdienst zwei Kerzen gesegnet. Sie verbinden die Recklinghäuser mit Klöstern in Berlin und bei Riga, die an Leidens- und Gedenkorten errichtet wurden. Diesen werden die Kerzen überreicht.

In Berlin gedenken die Gemeinschaften der in Plötzensee hingerichteten Widerstandskämpfer gegen die Nazis und des 1934 erschossenen Katholikenführers und früheren Landrats des Kreises Recklinghausen, Erich Klausener. Nach Auskunft von Georg Möllers wird eine Kerze in der Messe in der Gedenkkirche Maria Regina Martyrum unweit der Hinrichtungsstätte Plötzensee am 30. Januar entzündet. In Riga wird an die dorthin deportierten und ermordeten jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger gedacht, die auch aus Recklinghausen stammten.

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