Ausgrabungen in der St.-Bartholomäus-Kirche

Die Keimzelle Ahlens - Archäologe macht erstaunliche Entdeckungen

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Gottesdienste, Kunst- und Kulturveranstaltungen an einem Ort. Dafür wird die St.-Bartholomäus-Kirche in Ahlen umgebaut. Doch zuvor durfte ein Archäologe ran und gewann erstaunliche Erkenntnisse über das Gotteshaus.

Die St.-Bartholomäus-Kirche in Ahlen (Kreis Warendorf) hat sich seit Anfang Oktober in eine Baustelle verwandelt. Nach langen Planungen, Verhandlungen mit dem Bistum Münster wegen einer finanziellen Unterstützung, monatelangem Stillstand und Einsparungen kann das erweitere Nutzungskonzept jetzt umgesetzt werden. Neben Gottesdiensten soll das Gebäude zukünftig verstärkt auch Kunst- und Kulturveranstaltungen dienen.

Die Menschen sollen den Kirchenraum vielfältiger und variabler nutzen können. Der Fokus liegt dabei auf der Umgestaltung der Altarinsel, die zukünftig niedriger liegt und dadurch auf einer großen Ebene mit Einzelbestuhlung besser in der Breite genutzt werden kann. Die Seitenschiffe erhalten mehr Platz. Dort werden keine Bänke mehr aufgestellt. Figuren und Orgel wurden für die Dauer der Sanierung eingehüllt und vor Staub geschützt. Die Kirchenbänke sind auf einem Bauernhof eingelagert worden.

Eine der ältesten Taufkirchen im Münsterland

Bevor die Arbeiten in der spätgotischen, zwischen 1480 und 1510 errichteten Hallenkirche fortgesetzt werden, hatte Archäologe Wolfram Essling-Wintzer vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in den vergangenen Wochen die Möglichkeit, in die Baugeschichte des Denkmals einzutauchen beziehungsweise bisher unbekannte Reste der Vorgängerbauten im Erdreich freizulegen. Über die vorläufigen Ergebnisse haben sich nach Ende der Ausgrabungen Architekt Christian Tripp, Kirchenvorstand Matthias Blume, die städtische Denkmalpflegerin Nicole Wittkemper-Peilert und Verwaltungsreferentin Hildegard Wonnemann informiert.

Die St.-Bartholomäus-Kirche ist eine der ältesten Taufkirchen des Münsterlands und die Keimzelle Ahlens. Da sie nicht nur ein Bau-, sondern auch bereits seit langem ein eingetragenes Bodendenkmal ist, werden deshalb im Zuge von Baumaßnahmen Quellen gesichert. „Es wird dort geforscht, wo erwartet wird, dass etwas zerstört wird“, betont Nicole Wittkemper-Peilert.

Grabplatten als Fußboden genutzt

In den beiden Seitenschiffen hat der wissenschaftliche Referent der LWL-Denkmalpflege einen komplett intakten, vielfach ausgebesserten Kirchenfußboden aus dem 19. Jahrhundert dokumentiert. Bei seiner Verlegung hatte man auch alte Grabplatten wiederverwendet, wie zahlreiche Inschriften erkennen lassen.

Diese Platten – eine von ihnen zeigt die Jahreszahl 1617 – bedeckten in der frühen Neuzeit große Teile des Kirchenfußbodens. Die darunter Bestatteten zahlten nennenswerte Beträge für das Grab im Kirchenraum, erhofften sie sich dadurch doch Fürbitten für ihr Seelenheil, berichtet Essling-Wintzer. Im Zuge der Sanierung wird dieser alte Plattenboden mit einem Kautschuk-Belag abgedeckt und damit vor Zerstörung bewahrt. 

Überreste mehrerer Kirchenbauten gefunden

„Unter unseren Füßen befinden sich die Überreste mehrerer Kirchenbauten“, berichtet der LWL-Archäologe, der dafür Beweise gefunden und gesichert hat. Weil die bereits vor einigen Jahren erneuerte Heizung an der Altarinsel für den Auslass der Wärme verbreitert und verlängert wird, mussten zwei Schächte ausgehoben werden. Dort hat der Archäologe aufgrund der Schichtenfolge Befunde für mehrere Kirchenbauten entdeckt.

In einem Säulenfundament der spätgotischen Hallenkirche wurden Werksteine aus Grünsandstein verbaut. Diese stammen von einem romanischen Vorgängerbau, auf den auch ein sogenanntes Packlagen-Fundament mit schräg aufgestellten Steinen verweist, welches in das 12. Jahrhundert zu datieren ist. Darüber hat der Wissenschaftler eine Schicht Kleckermörtel eines Bauhorizontes gefunden, auf der wiederum ein Fußboden aus Lehm liegt. Dieser ist an der Oberfläche verziegelt, was auf ein größeres Brandereignis schließen lässt.

Fertigstellung für Herbst 2024 geplant

Gut möglich, dass es sich hierbei um einen Nachweis für den großen Stadtbrand im Jahr 1483 handelt. Aus einem älteren Friedhofshorizont stammen menschliche Knochenfragmente. Diese hat der Archäologe ebenso wie Münzen eingetütet. Sie werden beim LWL gereinigt und datiert. Alle Funde wurden fotografiert und dokumentiert.

„Bislang handelt es sich nur um Arbeitshypothesen, die im Zuge der Auswertung am Schreibtisch überprüft werden müssen“, informiert Essling-Wintzer. Die wissenschaftlichen Ergebnisse werden bei der LWL-Archäologie archiviert. „Auch wenn der archäologische Befund hier nun in Teilen zerstört wurde, sind die in ihm enthaltenen Informationen in der Dokumentation für die Nachwelt“, so der Wissenschaftler. Aufgrund des hohen Denkmalwerts und der für die Kirchengeschichte Westfalens relevanten Forschungsergebnisse hat der LWL die Untersuchung durchgeführt, wodurch der Kirchengemeinde keine zusätzlichen Kosten entstanden sind. „Das ist ein Glücksfall für uns“, freut sich Architekt Christian Tripp. Die Fertigstellung ist für den Herbst 2024 geplant.

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