Von virtuellen, abgespeckten und verschobenen Schützenfesten

Ein Jahr ohne Schützenfeste – Bruderschaften in Sorge um Vereinsleben

Die Corona-Pandemie hat den bundesweit rund 14.400 Schützenvereinen alles vermasselt: Festumzug und natürlich die Schießwettbewerbe samt Kür eines neuen Königspaares. Wie gehen die Schützen damit um?

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2020 ist ein trauriges Schützenjahr – auch für die Vereine und Bruderschaften am Niederrhein und im Münsterland. Die beliebten Feste, ansonsten gesellschaftlicher Höhepunkt des Jahres, müssen wegen Corona ausfallen. Es gibt kaum interne Wettkämpfe.

Hinzu kommt die Befürchtung, durch die zwangsverordnete Pause fast jeglicher Aktivitäten Mitglieder zu verlieren. Das sagt zum Beispiel Wilhelm Willemsen, Bezirksbundesmeister des Bezirks Moers. Vor allem jugendliche Schützen könnten sich verstärkt anderen Aktivitäten und Hobbys zuwenden, sagt er. Hauptsächlich Sportschützen seien davon betroffen.

 

Sportschießen im kleinen Rahmen

 

Immerhin zeigt sich in seinem Bezirk ein Lichtstreifen am Horizont. Das Sportschießen kann nun doch wieder – mit Bedacht – aufgenommen werden. Anmeldungen sind erforderlich, der Abstand untereinander muss eingehalten werden. Wer fertig ist, muss das Gebäude verlassen. Bevor die nächsten eingelassen werden, wird erst einmal alles desinfiziert. Vereinsleben light.

Ab und zu halten doch die Schützen die Fahne hoch, haben hier und da eine kirchliche Veranstaltung begleitet oder hatten als karitative Aufgabe schon früh damit begonnen, Schutzmasken für die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen zu nähen. Manchmal beschritten sie auch ungewohnte Pfade.

 

Virtuelle Feier in Xanten-Lüttingen

 

Die St.-Pantaleon-Schützen aus Xanten-Lüttingen feierten 2020 virtuell. Aber ohne Umzug, Vogelschießen und Festzelt. „Eine schmerzliche, aber notwendige Maßnahme“, betont Oberst und Brudermeister Bernhard Hußmann. Aber es ging auch anders. Die Bevölkerung wurde gebeten, die Flaggen zu hissen und dies für eine spätere Collage auf Videos und Bildern festzuhalten. Zudem waren per Video-Meeting private Feiern im Rahmen des Erlaubten miteinander verbunden worden.

Improvisationsgabe bewiesen die niederrheinischen Walberger Schützen. Sie verlegten ihr Jubiläumsfest zum 400-jährigen Vereinsbestehen einfach auf 2021, und in Kamp-Lintfort holen die Saalfelder Mitglieder ihr rundes Jubiläum in zwei Jahren nach. „Man muss fünf gerade sein lassen“, meint Willemsen.

 

Kleine deutsch-niederländische Schützenwallfahrt

 

Ruhig ist es im Bezirksverband Kleve. Immerhin hofft Heribert Hermann darauf, dass am 4. Juli in Kranenburg die jährliche deutsch-niederländische Schützenwallfahrt stattfinden kann. „Ganz im Freien. Wenn auch das Wetter mitspielt.“ Zu dieser kleinen Veranstaltung kommen normalerweise etwa 50 Teilnehmer von beiderseits der Grenze.

Ansonsten sind im Bezirk Kleve die Festivitäten abgesagt. „Die Hygienebestimmungen sind schwer einzuhalten“, bedauert Hermann. Er sorgt sich ebenfalls um die Mitgliederzahl durch das ruhende Vereinsleben. Das Bundesschützen-Tambourcorps Hönnepel etwa hat rund 50 Musiker, kann aber seit März nicht mehr proben, hat geschweige denn Auftritte.

 

Schützenfahnen auf Halbmast

 

Im Bezirksverband Rees treffen sich die Bruderschaften im kleinen Rahmen, um zumindest den Gottesdienst eines Schützenfestes zu begehen. „Es finden die ernsthaften Teile abseits des Feierns statt“, betont Bezirksbundesmeister Johannes Griebler. Dann aber mit wenigen Menschen, wie zum Beispiel bei den Kranz-Niederlegungen am Ehrenmal.

So mancher Schützenbruder hat zudem die Fahne auf Halbmast gesetzt. Für den Bezirksbundesmeister „ein Zeichen passend zu unserer Stimmung, beeindruckend und deswegen nachahmenswert“. Das sei ein Zeichen der Trauer um die vielen Menschen, die in der Welt an Corona verstorben seien. Griebler: „Wir können nicht viel tun, aber das können wir.“

 

Soziale Bindungen leiden

 

Ein Jahr ohne Schützenfest, ohne neue Majestäten war für den Vorstand vor Corona nicht vorstellbar. Nun hat das Virus Vereine und Vorstand vor neue Tatsachen gestellt. Bis Ende August fallen schon mal 20 von 21 Festen aus. „Wir sind sicher sehr traurig wegen des Verlustes unserer kameradschaftlichen Gepflogenheiten, der gesellschaftlich verbindenden Wirkung unserer Schützenfeste, der Highlights des Sommers, des Lohns unserer ganzjährigen Arbeit“, betont Griebler.

Nach seinen Erfahrungen aus den letzten Monaten vermissen viele Bürger die Feiern. „Aber sie haben auch anerkannt, dass es derzeit nicht anders geht und dass es im kommenden Jahr wieder Feste geben werden. Die haben eine lange Tradition.“

 

Denken an die Opfer der Corona-Krise

 

Ihr Schützenfest abgesagt hat ebenfalls die St.-Hubertus-Schützenbruderschaft im münsterländischen Reken. „Wir als Verein haben lange gehofft, Schützenfest feiern zu dürfen, können aber die Entscheidung des Verbotes verstehen und halten diese auch für richtig“, heißt es seitens des Vorstands.

„Jeden Tag sterben hunderte von Mitbürgern in Deutschland und Tausende weltweit. Viele Betriebe kämpfen um ihre Existenz, Millionen Arbeitnehmer sind in Kurzarbeit oder haben schon ihren Job verloren. Daher halten wir es für ein falsches Zeichen, Schützenfest feiern zu wollen.“ Die Bruderschaft freue sich auf ein Wiedersehen – spätestens zum Schützenfest 2021 in Bahnhof Reken.

 

Feldmesse in Münster-Roxel

 

In der St.-Pantaleon-Bruderschaft in Münster-Roxel wird statt Schützenfest am Sonntag, 28. Juni, eine Feldmesse in der Kirche St. Pantaleon gefeiert. Dazu sind Jung und Alt um 11 Uhr eingeladen. Die Schützen werden gebeten, in Uniform (ohne Stock) zu erscheinen und die vorgegebenen Anstandsregelungen einzuhalten.

Über das abgesagte Schützenfest heißt es vom Vorstand: „Unser König Karl Heinz, seine Königin Mechthild und sein Hofstaat, Hermann und Ute sowie Sigrid und Andreas, werden uns weiter durch das Jahr 2020 bis in unser Jubiläumsjahr 2021 begleiten.“ Dann wird die Roxeler Bruderschaft ihr 200-jägriges Bestehen feiern.