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Mit einem großen ökumenischen Versöhnungsgottesdienst wird am Samstag in Hildesheim der Reformation vor 500 Jahren gedacht. Auch der Bundespräsident und die Kanzlerin werden teilnehmen. Im Zentrum steht ein Kreuz, das in einer Klosterschmiede entstand.
Blatt für Blatt trägt Christoph Falke das Gold auf den Untergrund auf. Dabei geht der Metallbauer-Meister vorsichtig zu Werke, mit einem Pinsel. Das Innere des rostigen Stahlbalkens soll vollständig in warmem Glanz erstrahlen. Gold in einem rostigen Balken? Das klingt zunächst nach einer ziemlich abwegigen Idee. Dahinter steckt aber ein ausgefeilter Gedanke: Die Stahlbalken sind Teil einer Installation zum Reformationsgedenken.
Das „Christuskreuz 2017“ soll an diesem Samstag beim zentralen ökumenischen Buß- und Versöhnungsgottesdienst in der Hildesheimer Kirche St. Michaelis zum Einsatz kommen. Er wird geleitet von Kardinal Reinhard Marx als Vorsitzendem der Deutschen Bischofskonferenz und dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm.
Teilnehmen werden auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der scheidende Bundespräsident Joachim Gauck, Bundestagspräsident Norbert Lammert, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Die ARD überträgt den Gottesdienst live ab 17 Uhr.
Werk aus der Klosterschmiede
Geistiger Vater des Kunstwerks ist der Benediktiner-Mönch Abraham Fischer von der Abtei Königsmünster im sauerländischen Meschede. „Als der Auftrag kam, hatte ich direkt diese Form vor Augen“, sagt der 50-Jährige. Sein Entwurf ist ein so genanntes griechisches Kreuz mit geraden, rechtwinkligen Balken. Normalerweise sind Kreuze flach und zweidimensional angelegt: Von der Mitte aus gehen vier Balken nach rechts, links, oben und unten.
Beim „Christuskreuz 2017“ verleihen zwei zusätzliche Balken dem Kreuz Räumlichkeit und Symmetrie von allen Seiten. „Eine klassische Kristallgitterstruktur“, erläutert Pater Abraham. Je ein Balken auf der Vorder- und Rückseite läuft direkt auf den Betrachter zu. Durch den Hohlraum entstehen neue Sichtachsen, die traditionelle Kreuze nicht bieten.
Ökumene ist Arbeit
Kunst mag der gelernte Metallbauer seine Kreation nicht nennen. „Ich bin eher Gestalter als Künstler. Bei Kunst steht das Werk für sich; ich interpretiere und erkläre meine Arbeit selbst“, erläutert Pater Abraham. Zuerst steht bei ihm immer das Objekt. Das spirituelle Gewand für seine Arbeiten entwickelt der Mönch erst hinterher. Dabei hilft sein Theologiestudium, das er bereits vor seinem Meister im Metallbau abgeschlossen hat.
Trotz äußerer gewollten Wetter-Einflüsse, der das zuvor silbrig glänzende Metall hat rosten lassen, soll auch der christliche Glaube weiterhin strahlen – daher das Gold im Inneren der rostigen Balken. Auch die Form selbst ist bereits eine Metapher. „Das Kreuz ist stabiler, wenn es auf der Seite liegt, wie eine Straßensperre. Wenn man es aufrichtet, muss es gestützt werden“, sagt Pater Abraham. Ökumene ist Arbeit, macht aber Wege frei, so liest der Benediktiner das Kreuz.
Am Samstag soll das „Christuskreuz 2017“ im Altarraum der Michaeliskirche von zwölf Gottesdienstteilnehmern aufgerichtet werden. Die Generalprobe ist geglückt: Auf dem Hof der Klosterschmiede wurde die Metamorphose von der rostigen Sperre zum Kreuz bereits vollzogen.
Der Zeremonie fehlte allerdings noch etwas Glanz: Mit der Vergoldung wurde erst nach dem Testlauf begonnen. Am Samstag soll das rostige Gebilde von innen strahlen - ein aufwendiger Prozess. „Ein wichtiger Faktor der Arbeit ist die Zeit“, weiß Pater Abraham. Dem würden die Kirchen in ihrem langen Annäherungsprozess nach der Reformation wohl zustimmen.