Junger Fotograf hat Freude am Ehrenamt

Er setzt Senioren in Szene - Johannes Bichmann hat den Blick fürs Alter

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Johannes Bichmann hat schon Models auf den Philippinen oder in Los Angeles in Szene gesetzt. Heute ist der 35-Jährige freiberuflicher Werbefotograf mit Studio in Bad Zwischenahn. Doch er setzt sein Können immer wieder auch ehrenamtlich ein: besonders für Senioren.

Johannes Bichmann kennt das. Im Altenheim lagen Listen aus. Da durfte sich jeder eintragen, der mitmachen wollte beim Fotoprojekt der Caritas in Oldenburg. Das Angebot: Porträts von einem Foto-Profi, kostenlos, als Geschenk. Und wer wollte, konnte seine Bilder für eine Ausstellung und einen Kalender zur Verfügung stellen.

„Da tragen sich nie mehr als sechs oder sieben Leute ein“, sagt der Fotograf. „Aber wenn ich am Ende meine Ausrüstung wieder einpacke, habe ich mindestens 30 Menschen fotografiert.“ Die zuerst zögern und nach und nach Mut fassen. Johannes Bichmann lächelt. „Irgendwann stehen und sitzen 90-Jährige um mein mobiles Studio herum und klatschen Beifall, wenn wieder einer von ihnen an der Reihe ist.“

Anfang als Mode-Fotograf

Barbara.
Barbara.

Das sind Momente, in denen der 35-Jährige spürt, wie wertvoll seine ehrenamtlichen Einsätze sein können. Seit elf Jahren stellt sich der Foto-Profi immer wieder dafür zur Verfügung. Nicht nur, aber zumeist in Altenheimen. Daneben hat er auch schon mit Obdachlosen Fotos für eine Broschüre produziert, in einer Einrichtung für Menschen mit Handicap für eine Ausstellung oder auch in einer Flüchtlingsunterkunft. Da waren es Bilder für Verwandte oder für Bewerbungen.

Der Kontrast zu seinen Anfängen könnte größer kaum sein. Nach Abitur und Zivildienst in einem Altenheim war der junge Mann aus seiner Heimatstadt Bochum als Foto-Assistent auf die Philippinen geflogen und hatte für eine internationale Firma für Modefotografie gearbeitet. „Wunderschöne Locations, interessante Menschen“, schwärmt er immer noch.

Über Los Angeles nach Bad Zwischenahn

Johannes.
Johannes.

Als es hieß: „Willst du für uns nicht auch mal in Los Angeles als Fashion-Fotograf arbeiten?“, musste er nicht lange überlegen. „Mach ich!“ Johannes Bichmann lächelt. „Es machte Spaß, ich konnte die Welt bereisen.“ Und er entwickelte eine Leidenschaft für Porträts. Etwa von aufstrebenden Schauspielern, die in Kalifornien von einer Karriere träumten.

Immer mehr spürte Johannes aber, dass ihm diese Glitzerwelt letztlich fremd blieb, und dass er im Grunde seines Herzens etwas anderes wollte. So landete er nach mehreren Zwischenstationen in Bad Zwischenahn, wo er von seinem Studio aus als freier Fotograf arbeitet.

Zwiti

Den eigenen Erfolg sieht er dabei als Verpflichtung, sich auch für andere einzusetzen. „Ich will etwas zurückgeben. Für das Glück, mit meiner Leidenschaft Geld verdienen zu können“, sagt er.

Dass er dazu insbesondere in Seniorenheimen im Einsatz ist, hat auch mit seinen Zivildienst-Erfahrungen zu tun. „Das ist ein Bereich, der meist nicht gesehen wird in der Gesellschaft. Den kann ich mit meinen Bildern sichtbar machen.“

Heimbetreiber reagieren zunächst zögerlich

Rolf.
Rolf.

So ganz selbstlos sei das im Übrigen nicht. „Wenn ich von so einem Shooting nach Hause komme und dabei erleben durfte, wie ich die Menschen begeis­tern konnte, dann spüre ich, wie ihre Freude auch auf mich übergegangen ist.“

Zum ersten Mal hat er 2011 so eine Foto-Aktion in einem Altenheim gestartet. Mit anschließender kleiner Ausstellung im Haus. „Damals habe ich gespürt: So etwas will ich weiterverfolgen.“
Was sich aber als gar nicht so leicht erwies. Die meisten seiner Anfragen bei Heimträgern blieben zunächst erfolglos. „Die konnten sich scheinbar nicht vorstellen, dass jemand das aus Nächstenliebe macht.“ Erst nach und nach kamen die ersten positiven Reaktionen, von denen er sich künftig noch mehr wünscht. Und jetzt das bislang größte Projekt: mit bisher schon acht und noch weiteren Foto-Terminen in Einrichtungen der Caritas in Oldenburg. Mit einem Kalender und einer Wander-Ausstellung.

Mit „Warmschießen“ gehts los

Johannes Bichmann (rechts) mit einer Teilnehmergruppe bei einem Foto-Shooting.
Johannes Bichmann (rechts) mit einer Teilnehmergruppe bei einem Foto-Shooting. | Foto: Wisam Darman Khalaf 

Was er beruflich an handwerklichem Können braucht, setzt Johannes Bichmann immer auch für seine ehrenamtlichen Projekte ein. Etwa, wenn es darum geht, Menschen vor der Kamera natürlich und locker wirken zu lassen.

Meist baut er seine Ausrüstung für gut vier Stunden in den Häusern auf, oft im Foyer. Bei jedem der Models beginnt er mit dem „Warmschießen“, wie er es nennt.

Mit Seele fotografieren

Der Fotograf hat da so seine Tricks, um die oft schüchternen Menschen aus der Reserve zu locken. „Machen Sie doch mal eine Grimasse!“, sagt er zum Beispiel. Oder: „Lächle doch mal nur mit den Augen“. Bis das Eis bricht. „Und dann kommt irgendwann das Leuchten, dass ich mit meinen Bildern zeigen möchte.“

Um das zu schaffen, was er sich mit seinem Senioren-Projekt, das er „Generationenvertrag“ nennt, zum Ziel gesetzt hat: „Ich versuche meine Kunst, die für so viel Quatsch eingesetzt werden kann, zum Beispiel dafür, damit teure Mode zu verkaufen, anders zu nutzen. Ich versuche, Seelen zu fotografieren und auch mit Seele zu fotografieren.“

Das Projekt
Persönlichkeit statt Pflegebedürftigkeit zeigen – darauf kommt es den Machern eines besonderen Kunst-Projekts der Caritas in der Stadt Oldenburg an. „Das Leuchten des Alters“ lautet der Titel. Fotograf Johannes Bichmann hat dafür bereits zahlreiche Senioren fotografiert, unter anderem aus Altenheimen oder der Tagespflege. Seine professionelle Ausrüstung baut der Werbefotograf dazu jeweils für mehrere Stunden in den Einrichtungen auf. Jeder, der Lust hatte, kann vor die Kamera.
Entstanden sind dabei auch 50 Bilder im Format 75 mal 75 Zentimeter, die bereits in einer viertägigen Ausstellung in Oldenburg zu sehen waren und nun als Wanderausstellungen zur Verfügung stehen. (Kontakt über www.caritas-ol.de)
Außerdem hat die Caritas zwölf Fotos für einen Kalender ausgewählt, der jetzt erschienen ist. „Über die Fotos bekommt man noch einmal einen anderen Blick auf die Menschen: dass es Persönlichkeiten sind, mit viel Lebenserfahrung“, erklärt dazu Dagmar Thiess von der Caritas Oldenburg. Hier im Artikel zu sehen sind Beispiele aus der Oldenburger Ausstellung – wie dort mit den Vornamen der Dargestellten.

Gisela: „Ich muss immer lachen, wenn ich mein Bild sehe“

Sie sollte mal etwas Lustiges machen, vielleicht irgendetwas mit den Händen. Gisela Rasch weiß gar nicht mehr genau, wie das war, als Fotograf Johannes Bichmann sie vor die Kamera holte. „Da wollte ich eigentlich nur auf meinen Hut zeigen, den mit den Rosen drauf. Und irgendwie ist dann das Bild herausgekommen.“
Die 68-Jährige lacht. Jetzt sei sie wohl eine Art Model, sagt sie aus Spaß. Mit Bildern in der Ausstellung „Das Leuchten des Alters“ und in dem Kalender, den die oldenburgische Caritas herausgebracht hat. Den hat sie sich schon gekauft.

Sie findet es gut, dass Senioren darin auch mal fröhlicher dargestellt werden als sonst meist üblich. Bei so etwas wollte sie gerne mitmachen. Dass sie dafür auch mal aus sich herausgehen sollte? Warum nicht? Das kennt sie schon vom Improvisationstheater. Das wird im Caritas-Seniorentreff in Oldenburg angeboten. Dort verbringt die alleinstehende Rentnerin jeden Dienstagmorgen. „Ich dachte: Ich guck’ mal, ob das was für mich ist. Und es hat mir von Anfang an gefallen.“ Gespielt wird ab und zu bei Aktionen der Caritas. Gisela Rasch hat 48 Jahre in der Altenpflege gearbeitet. Jetzt genießt sie ihren Ruhestand. „Mir geht es gut. So glücklich wie jetzt war ich noch niemals vorher“, sagt sie.

In der ersten Ausstellung der Senioren-Bilder war sie auch schon. Sie ist mehr als zufrieden mit den Ergebnissen. „Ich muss immer lachen, wenn ich mein Bild sehe. Ich kann gar nicht glauben, dass ich so schön bin und so einen Spaß gehabt habe.“

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