Themenwoche: Wie fastet ihr? (3) - Jesiden

Fasten bei den Jesiden: Damit es wieder heller wird

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Sozan Darman Ali gehört zur Gemeinschaft der Jesiden – einer monotheistischen Religionsgemeinschaft. Ihr Glaube vereint Elemente verschiedener nahöstlicher Religionen, aus dem Islam, aber auch aus dem Christentum. Die Jesiden leben vor allem im nördlichen Irak, viele sind jedoch vor der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) geflüchtet – wie die 32-jährige Sozan Darman Ali, die heute in Oldenburg lebt.

Was bedeutet Fasten in Ihrer Religion?

Fasten hat eine große Bedeutung bei den Jesiden. Es gibt mehrere Fastenzeiten, die je nach Religiosität gelebt werden. So fasten fromme Jesiden zwei Mal im Jahr jeweils 40 Tage – einmal im Sommer, einmal im Winter. Unser religiöses Oberhaupt und Tempelarbeiter machen das. Es sind aber alle Jesiden zu dieser Fastenzeit eingeladen.

Dann gibt es im Februar eine dreitägige Zeit, in der zum Ende des Winters gefastet wird. Das machen aber nur wenige. Die Zeit, in der die meisten Jesiden fasten, ist im Dezember. Sie richtet sich nach dem Termin des Zuckerfestes Xer, das immer an einem Freitag gefeiert wird, rund um den kürzesten Tag des Jahres. Die Zeit davor ist in drei Abschnitte aufgeteilt: Drei Tage wird für den heiligen Sheshem gefastet. Dann fasten die Familien eine Woche für ihren Hausheiligen. Im Anschluss wird drei Tage für Ezi gefastet. Das ist ein Name für Gott. Jede Fasten-Phase wird mit einem Fest beendet. Am Ende der gesamten Zeit wird das Zuckerfest Ida Ezid gefeiert. Der Zeitpunkt dieser Fastentradition hat einen geschichtlichen Hintergrund: Die Menschen bemerkten, dass die Tage immer kürzer wurden und hofften, Ezi durch ihr Fasten dazu bewegen zu können, die Welt nicht immer mehr zu verdunkeln.

Welche Regeln gibt es?

Themenwoche: Wie fastet ihr?
Für eine Zeit zu verzichten – auf Essen, Verhalten, Gewohnheiten –, das gibt es nicht nur im Christentum. Kirche+Leben hat mit einem Muslim, einem Juden, einem Hindu und einer Jesidin darüber gesprochen. Klar ist: Immer geht es um mehr als mich selbst.

Fasten bedeutet bei uns, auf Essen und Trinken zu verzichten – von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Abends, beim Fitar, können wir dann wieder Speisen und Getränke zu uns nehmen. Dabei gibt es auch traditionelle Gerichte, wie etwa beim Fasten am Ende des Winters. Beim dortigen Fest zum Ende der Fastenzeit darf kein Fleisch gegessen werden. „Es darf kein Blut fließen“, heißt es. Oft werden dann Kichererbsen oder Mais geröstet. Aus Weizenmehl und Dattelpaste werden süße Kugeln gebacken.

Auch ist es geboten, an den Fasten-Tagen anderen Menschen Essen zu bringen und Almosen zu geben. Gerade Bedürftige sollen dabei in den Blick genommen werden. Kranke, Schwangere und alte Menschen, für die Fasten ein gesundheitliches Problem werden könnte, können auf das Fasten verzichten.

Ohnehin ist es jedem freigestellt, wann und wie oft er fastet. Die Regel heißt, dass der Verzicht von Herzen kommen muss. Wer fastet, muss überzeugt davon sein, dass es gut für seinen Glauben und für Gott ist.

Wie halten Sie es mit dem Fasten?

Ich bin kein besonders religiöser Mensch. Aber im Dezember halte auch ich die Fastenzeiten ein. Mein Haus-Heiliger heißt Facher Aldium. Die Geschichte sagt, dass er als religiöses Oberhaupt viel für die Jesiden getan hat. Zudem ist er sowohl an einem Mittwoch geboren als auch gestorben – das ist unser heiliger Tag.

Ich kenne viele Jesiden, die auch im Ausland leben und das Fasten noch sehr ernst nehmen. Sie fahren in diesen Zeiten sogar noch in ihre Heimat, um den Menschen dort Essen oder Geld zu bringen.

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