Reaktionen aus dem Erzbistum München, weiteren Bistümern und der Ökumene

Großer Respekt für Rücktrittsgesuch von Kardinal Marx im In- und Ausland

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Der angebotene Amtsverzicht von Kardinal Reinhard Marx als Erzbischof von München und Freising hat am Wochenende weiter Reaktionen im In- und Ausland nach sich gezogen - teils verbunden mit der Hoffnung, Papst Franziskus möge der Bitte nicht entsprechen. Ein Überblick.

Passaus Bischof Stefan Oster zeigte sich "sehr überrascht". "Nachdem ich aber seine Erklärung gelesen habe, ist es für mich plausibler geworden", sagte Oster der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "In den vergangenen Monaten und auch Jahren habe ich Reinhard Marx oft auch sehr, sehr nachdenklich erlebt, und dann bekommt dieser Schritt doch eine gewisse Schlüssigkeit und Souveränität." Marx' Entscheidung forciere die Frage der Kirche in Deutschland: "Wie sind wir miteinander unterwegs? Da hat Marx eine gewichtige Stimme."

Am Freitag hatte das Erzbistum München und Freising mitgeteilt, dass Marx dem Papst seinen Rücktritt angeboten hat. In seinem Brief an Franziskus schreibt Marx: "Im Kern geht es für mich darum, Mitverantwortung zu tragen für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten." Marx wird Fehlverhalten im Umgang mit möglichen Missbrauchsfällen vorgeworfen. Für Sommer ist die Veröffentlichung eines Gutachtens über den Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum angekündigt.

 

Weihbischof Lohmann: Gefährliche systemische Vorgehen

 

Weihbischof Rolf Lohmann, Regionalbischof für den Niederrhein und Recklinghausen, sagte in einem Gottesdienst, die hiesige Kirche sei nach der Missbrauchskrise bewusst den Synodalen Weg gegangen, "um die 'heißen Eisen' anzupacken in der Erkenntnis, hier liegen die Ursachen einer gefährlichen systemischen Vorgehensweise, die zu beheben sind". Es tue ihm Leid, dass Marx als "einer der Befürworter und Motoren dieses Weges" seinen Rücktritt angeboten habe.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, hatte sich mit seinem Amtsvorgänger Marx einig gezeigt, dass die derzeitige Lage auf "eine massive Krise in der Kirche" hindeute. Am Freitag im ZDF-Spezial sagte er weiter, es liege "vieles im Argen". Mit einigen "Schönheitsreparaturen" sei es nicht getan. In den ARD-Tagesthemen am selben Abend sagte Bätzing, es brauche nun "Kontrolle auf jeder Ebene von Machtausübung" in der Kirche.

 

Reaktionen im Erzbistum München

 

Im Erzbistum von Marx erklärte die Vorsitzende der Unabhängigen Aufarbeitungskommission, Michaela Huber, Marx habe deutlich gemacht, dass der Aufarbeitungsprozess nicht ausreiche. "Dass er bereit ist, als hoher Geistlicher für das diesbezügliche Fehlverhalten der katholischen Kirche die Verantwortung zu übernehmen, die ein modernes Gemeinwesen mit hohem ethisch-moralischen Anspruch auszeichnet, zeugt von Größe." Zugleich rief die Kommission den Papst indirekt dazu auf, den Amtsverzicht nicht anzunehmen.

Ähnlich äußerte sich auch der oberste Laienvertreter der katholischen Kirche in Bayern, Joachim Unterländer. Eine Annahme des Amtsverzichts solle zumindest bis zum Abschluss des Synodalen Wegs nicht geschehen. Es wäre fatal, nun geeignete Führungspersönlichkeiten für eine Reform suchen zu müssen.

 

Ex-Generalvikar Beer: Konsequent

 

Der frühere Münchner Generalvikar Peter Beer würdigte den angebotenen Amtsverzicht von Kardinal Reinhard Marx als Erzbischof als eine "Entscheidung der Stunde" gewürdigt. "Es ist die um der Sache willen eigentlich einzig vernünftige und aufrechte", schreibt Beer in einem Beitrag für das Magazin "Cicero". Für ihn belege der Schritt, konsequent in der eigenen Amtsführung zu sein.

"Wer immer wieder von Schuld und Sünde spricht und vor allem Andere über eine diesbezügliche Notwendigkeit von Sühne, Buße und erforderlicher Genugtuung belehrt, der sollte dies auch bei Gelegenheit auf die eigene Amtsführung wirkungsvoll explizieren", so der Geistliche. Menschen, die hinsichtlich der eigentlichen Bedeutung und Autorität stets größten Wert auf eine ununterbrochene Traditionslinie seit der Zeit der Apostel Wert legten, sollte der Gedanke nicht fremd sein, dass es "so etwas Ähnliches auch in Bezug auf die Übernahme von Verantwortung geben kann".

Beer war unter Marx von 2009 bis 2019 Generalvikar der Erzdiözese München und Freising. Mittlerweile arbeitet er als Professor am Zentrum für Kinderschutz (CCP) der päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Zudem übernahm er den Vorsitz des Beirats der vom Münchner Kardinal Reinhard Marx neu gegründeten Stiftung "Spes et Salus" für Betroffene sexuellen Missbrauchs in der Kirche.

 

EKD: Beispielgebende Gradlinigkeit

 

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat die Entscheidung von Marx mit "großem Respekt, aber auch großem Bedauern" aufgenommen. Sollte der Papst das Angebot annehmen, würde die "starke Stimme" von Marx in seinem jetzigen Amt fehlen, sagte Bedford-Strohm, der auch bayerischer Landesbischof ist, auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd).

Das Rücktrittsangebot zeige erneut die beispielgebende Gradlinigkeit und Konsequenz, mit der Marx die Erneuerung seiner Kirche betreibt, sagte Bedford-Strohm. Marx begründete seinen unerwarteten Schritt mit dem Versagen seiner Kirche bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle.

 

"Toter Punkt" und "österliche Hoffnung"

 

Die evangelische Theologin Margot Käßmann schreibt in der "Bild am Sonntag", dass sie die katholische Kirche nicht an einem "toten Punkt" sehe, denn es zeige sich auch Aufbruch. Zum Rücktrittsgesuch von Marx schreibt sie: "Gut, dass er als erster Kirchenführer persönlich Verantwortung für den unerträglichen Missbrauchsskandal übernimmt."

Die Gruppe Maria 2.0 zollte Marx Respekt. Er erkenne an, dass hinter dem Missbrauchsskandal systemische Ursachen stünden. Maria 2.0 teile die "österliche Hoffnung" des Kardinals, "dass der 'tote Punkt', an dem wir uns im Augenblick befinden, zum 'Wendepunkt' werden kann".

 

Reaktionen im Ausland

 

Auch im Ausland löste der Schritt des Kardinals Reaktionen aus. Der Vorsitzende der Französischen Bischofskonferenz zeigte sich erschüttert und überrascht. "Sein Brief an den Papst stellt die Gründe für die Entscheidung dar - aber seine Einsamkeit beeindruckt mich", sagte Erzbischof Eric de Moulins-Beaufort von Reims "La Croix" (online Freitagabend). In Frankreich hätten alle Bischöfe gemeinsam versucht, der Krise um sexuellen Missbrauch zu begegnen.

Mit "großem Respekt" reagierte die EU-Bischofskommission COMECE auf den angebotenen Amtsverzicht ihres früheren Vorsitzenden Marx. Der jetzige Vorsitzende, Kardinal Jean-Claude Hollerich, würdigte Marx' Leistungen als "sehr kostbar". Er habe die Bischofskommission zu einem "dynamischeren Akteur" im Dialog mit den EU-Institutionen und im Einsatz für eine menschlichere Politik gemacht.

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