Mainzer Professor wünscht sich „mehr Originalität“ in kirchlichen Beiträgen

Historiker Rödder: Zivilreligion ersetzt Kirche in politischer Debatte

Der Mainzer Historiker Andreas Rödder wünscht sich mehr Originalität in den Beiträgen der Kirchen zur politischen Debatte. Zu „Kirche+Leben“ sagte er, er erwarte „eine aus den eigenen Grundlagen begründete, eigenständige“ Position.

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Der Mainzer Historiker Andreas Rödder wünscht sich mehr Originalität in den Beiträgen der Kirchen zur politischen Debatte. Im Interview mit „Kirche+Leben“ sagte der Katholik, er erwarte „eine aus den eigenen Grundlagen erkennbar begründete, eigenständige“ kirchliche Position „und nicht Anpassung an den Mainstream“.

Nach dem Ende traditioneller, auch kirchlich geprägter Milieus habe sich eine Leitkultur entwickelt, die Rödder „Kultur des Regenbogens“ nannte. Beiträge der Kirchen stünden heute „viel stärker im Einklang mit einer allgemeinen politischen Leitkultur, die unter den Vorzeichen von Antidiskriminierung, Diversität, Gleichstellung oder Inklusion steht“, so der Professor für Neueste Geschichte an der Universität Mainz.

„Wir haben es mit einer neuen Zivilreligion zu tun“, sagte Rödder. Diese kompensiere den sinkenden Einfluss der Kirchen auf die öffentliche Debatte.

 

Warum Katholiken kaum radikal wählen

 

Rödder sieht katholisch gebundene Wähler stärker gegen radikale Strömungen imprägniert. Die Wertvorstellung von Katholiken orientiere sich stark an der Würde der Person: „Katholisch gesprochen: an ihrer Gottesebenbildlichkeit.“ Hinzu komme eine Bindung an das eigene Milieu: „Das ist offenkundig im Münsterland stärker so geblieben als in anderen Regionen Deutschlands“, sagte Rödder mit Blick auf geringe AfD-Wahlergebnisse.

Eine „besondere politische Mündigkeit“ von Katholiken wollte Rödder daraus aber nicht ableiten. Mit Blick auf die Geschichte sagte er: „Das katholische Milieu hat sich lange schwer genug mit der Demokratie getan.“

 

Welche Rolle die Kirchen in der DDR hatten

 

30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer bewertete der Historiker auch die Rolle der Kirchen. Die evangelische Kirche sei „Schutzraum für die Oppositionellen und Zufluchtsort für diejenigen Eliten“ gewesen, die im sozialistischen Staat keine Karriere hätten machen dürfen: „Die Stärke der evangelischen Kirche in der DDR resultierte daher weniger aus ihrer theologisch-spirituellen Gestalt.“ Derweil habe die katholische Kirche sich vor allem darauf konzentriert, vorhandene eigene Freiräume zu sichern.

Nach der Wende sei jedoch katholisches Milieu in die neuen Bundesländer eingeströmt, so Rödder. Er verwies auf mehrere CDU-Ministerpräsidenten wie Kurt Biedenkopf und Bernhard Vogel sowie auf katholische Mitglieder von Verwaltungseliten. Die alte Bundesrepublik und die CDU seien „stark rheinisch-westfälisch-bayerisch-katholisch geprägt“ gewesen.

Wie geeint ist Deutschland? Das komplette Interview mit Andreas Rödder 30 Jahre nach der Wende in der damaligen DDR lesen Sie in der Wochenzeitung „Kirche+Leben“ (Ausgabe vom 22. September). Einzelbestellungen sind bei unserem Vertrieb möglich.