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Münsters Bischof Felix Genn wendet sich mit einem offenen Brief an die katholischen Christen in seinem Bistum. Das ist der richtige Weg der Kommunikation, meint Christof Haverkamp in seinem Kommentar.
Dass ein Bischof einen Brief an alle Katholiken im Bistum schreibt, ist ein ungewöhnlicher Weg – vergleichbar mit der Fernsehansprache eines Regierungschefs an die Nation. Auch das ist selten und geschieht nur in großen Ausnahmefällen.
Der Bischof schlägt mit diesem Schreiben zugleich den einzig richtigen Weg der Kommunikation ein. Dafür hat er gute Gründe: Allzu groß ist in jüngster Zeit die Unzufriedenheit gerade von aktiven Gläubigen. Das liegt vor allem an immer neuen Fällen von sexuellem Missbrauch, die nach wie vor in der Diözese bekannt werden. Die Bistumsleitung hat zwar in Sachen Prävention schon sehr viel getan. Aber jetzt steht sie unter massivem Druck – auch Bischof Genn persönlich. Selbst Rücktrittsforderungen sind schon erhoben worden.
Abtauchen und schweigen wäre die schlechteste Lösung
Der offene Brief ist eine direkte und gute Reaktion darauf. Der Bischof von Münster zeigt Größe, indem er ganz konkret Fehler einräumt, von einem unpräzise formulierten Verbot gegen einen Priester spricht und von unklaren, schlecht kontrollierten Auflagen. Dieses Einräumen eines Fehlers ist bei einem Bischof längst nicht selbstverständlich. Doch abtauchen und schweigen wäre die schlechteste Lösung. Miteinander reden statt übereinander: Das ist und bleibt nötig, und genau das dürfte auch im Sinne der vom Missbrauch Betroffenen sein, denen lange – viel zu lange – oft nicht geglaubt wurde.
Im Jahr 2010, als der Jesuitenpater Klaus Mertes mit dem Bekanntmachen der Missbrauchsfälle am Gymnasium Canisius-Kolleg in Berlin das Thema ins Licht der Öffentlichkeit hob, war zunächst nur von wenigen Einzelfällen und Ausnahmen die Rede. Inzwischen ist jedoch längst klar: Das war eine grobe Fehleinschätzung und Untertreibung. Das hat auch die MHG-Studie des Jahres 2018 klar gemacht.
Betroffenen wird endlich Gehör geschenkt
Bischof Genn schreibt, der Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs bleibe eine ständige Aufgabe und Herausforderung. Richtig. Dazu gehören Präventionsmaßnahmen, aber ebenso die auf den Weg gebrachte Aufarbeitung der Vergangenheit durch unabhängige Historiker.
Das Thema wird in absehbarer Zeit nicht vom Tisch sein. Und es ist gut, dass den Betroffenen heute endlich ganz anders Gehör geschenkt wird als früher.