Als Zeichen der Erinnerung an die Judenverfolgung

Krippenbauer fertigen Modell der alten Recklinghäuser Synagoge

  • Die sogenannten Krippenbauer der Gemeinde St. Franziskus in Recklinghausen haben ein Modell von der alten Synagoge geschaffen, die in ihrer Stadt 1938 zerstört wurde.
  • In einer Gedenkfeier trugen sie das Modell vom Platz der alten Synagoge in den heutigen jüdischen Sakralbau.
  • Die Erinnerung an die Zerstörung während der Reichspogromnacht 1938 soll zum Zeichen für die christlich-jüdische Versöhnung und Zusammenarbeit stehen.

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Viele Stunden Handwerksarbeit haben die „Krippenbauer“ der Gemeinde St. Franziskus in Recklinghausen-Stuckenbusch geleistet, als sie im vergangenen Jahr nach alten Bildern und Plänen ein Modell der alten Synagoge an der Limperstraße in Recklinghausen schufen. Die Synagoge wurde 1938 zerstört. Das Modell stand bereits an der letztjährigen großen Krippenlandschaft der katholischen Gemeinde. Die weihnachtliche Darstellung wird Jahr für Jahr vom Team der Krippenbauer neu gestaltet.

Während einer Gedenkfeier am Ort der zerstörten Synagoge stellte Günter Drax für die Gruppe der Krippenbauer das Modell und die Beweggründe für die Rekonstruktion vor: „Wir brauchen Zeichen der Erinnerung. Sie sollen uns mahnen, dass Antisemitismus nie wieder einen Platz in Recklinghausen hat.“

Zerstörung durch SA-Trupps

Gedenkfeier in der Synagoge von Recklinghausen. | Foto: Johannes Bernard
Gedenkfeier in der Synagoge von Recklinghausen. | Foto: Johannes Bernard

Die Krippenbauer trugen das Modell zu der heutigen Synagoge der Stadt, die nur wenige hundert Meter vom früheren jüdischen Sakralbau entfernt liegt, und übergaben es der Jüdischen Kultusgemeinde. Diese wird die Nachbildung sichtbar aufstellen, um die Tradition jüdischen Lebens zu dokumentieren.

Beim Modell handelt es sich um eine detailgenaue Nachbildung der 1904 geweihten Synagoge. Während der Novemberpogrome wurde sie am 9. November 1938 von SA-Trupps angezündet und nahezu vollständig zerstört, obwohl sie unmittelbar am Polizeipräsidium und nur 150 Meter vom Feuerwehrdepot entfernt lag.

Grundstücke fielen an die Stadt

Am Ort der 1938 zerstörten Synagoge erklärten die Krippenbauer die von ihnen geschaffene Nachbildung. | Foto: Johannes Bernard
Am Ort der 1938 zerstörten Synagoge erklärten die Krippenbauer die von ihnen geschaffene Nachbildung. | Foto: Johannes Bernard

Die ausgebrannte Synagoge wurde tags darauf vom Stadtrat als „abbruchreif“ eingestuft und ihr Turm zum Einsturz gebracht. Im Sommer 1939 übereigneten Vertreter der Kultusgemeinde mehrere gemeindeeigene Grundstücke, darunter auch das der Synagoge, der Kommune Recklinghausen.

Mit der Geschichte des jüdischen Sakralbaus beschäftigten sich aus dem Team der Krippenbauer Andrea Schulte, Siggi Sander, Heiko Schulz und Christiane Lück, um in mühevoller Kleinarbeit das Gebäude nachzubauen. Es handelte sich um einen 23 mal 13 Meter großen und zwölf Meter hohen Saalbau.

25 Meter hoher Turm mit Davidstern

Eine Postkarte aus den 1920er Jahren zeigt die 1904 errichtete Synagoge. | Foto: Johannes Bernard
Eine Postkarte aus den 1920er Jahren zeigt die 1904 errichtete Synagoge. | Repro: Johannes Bernard

Das Gebäude bot 120 Männern im Erdgeschoss und 110 Frauen auf der Galerie Platz. Äußerlich griff der Bau romanische wie maurische Elemente auf. Die Zwiebelhaube des 25 Meter hohen Turms wurde durch den Davidstern gekrönt. Das Eingangsportal unterstrich den repräsentativen Charakter: Zwei vorgelagerte Säulen erinnerten an den zerstörten Tempel und die beiden Dekalog-Tafeln oberhalb an die Gebote Gottes.

Über die Einweihung der Synagoge berichtete die „Recklinghäuser Zeitung“ am 26. August 1904: „Unsere Synagogengemeinde hatte heute einen ganz besonderen Fest- und Freudentag. … Die Akustik ist eine sehr vorzügliche. Besonders vorteilhaft präsentiert sich das Altargewölbe und der heilige Schrein, in dem die Thora-Rollen ihre Stätte haben. Alles in allem haben unsere Israeliten alle Veranlassung, sich ihres Gotteshauses zu freuen.“

Erinnerung bleibt notwendig

Zerstörte Synagoge nach dem Pogrom am 10. November 1938. | Foto: Johannes Bernard
Zerstörte Synagoge nach dem Pogrom am 10. November 1938. | Repro: Johannes Bernard

Über die Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Recklinghausen geforscht hatten in den vergangenen Monaten auch Schülerinnen und Schüler, die im Religionsunterricht Themen der christlich-jüdischen Zusammenarbeit behandelten. In der Gedenkfeier in der Synagoge berichteten sie darüber, was Schulen gegen den Antisemitismus tun können.

Bürgermeister Christoph Tesche (CDU) würdigte die Arbeit der Krippenbauer. Das Modell der alten Synagoge stehe für eine gelungene Erinnerungsarbeit, die auch heute notwendig sei: „Wir dürfen niemals vergessen, was geschehen ist. Aus der Erinnerung wächst Verantwortung für heute“, sagte Tesche.

Zusammenarbeit zwischen Christen und Juden

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Recklinghausen, Mark Gutkin, sagte: „Ich nehme das Modell der Krippenbauer gern an. Es ist für uns ein Symbol für die gute Zusammenarbeit zwischen Christen und Juden in der Stadt und ein Zeichen der Solidarität.“

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