Regierungspräsidentin lobt Engagement von St. Viktor

Auf den Spuren des Judentums in Dülmen - dank neuer Pfarrei-Broschüre

  • Eine neue Publikation der Pfarrei St. Viktor zeigt jüdische Spuren und alttestamentliche Zeugnisse in Dülmen.
  • 100 erklärende Texte und mehr als 200 Bilder vermitteln überraschende Erkenntnisse.
  • Regierungspräsidentin Dorothee Feller sieht in dieser Art der Erinnerungskultur ein gutes Beispiel, antisemitischen Tendenzen entgegenzutreten.

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In aufwändiger Kleinarbeit haben viele Menschen in Dülmen im Kreis Coesfeld Orte und Gegenstände erfasst und beschrieben, die auf der Grundlage von Schriftstellen der Thora oder des Alten Testaments einen Bezug zum jüdisch-christlichen Leben über lange Zeit auch in Dülmen haben. Es sind Orte und Gegenstände, die wenig bekannt sind und an denen die Menschen in ihrem Alltagsleben oft achtlos vorübergehen.

Dennoch sind es historische Zeugnisse, die eine verstärkte Aufmerksamkeit verdient haben: „Eine Aufmerksamkeit nicht nur im religiösen Dialog, sondern auch im Rahmen von historischer Erinnerungsarbeit“, schreibt Theo Schwedmann, langjähriger Leiter des Projekts „Erziehung nach Auschwitz NRW“, in der neuen Publikation. Sie trägt den Titel „Im Bündel des Lebens – Jüdische und alttestamentliche Spuren in Dülmen“.

Kaum noch Wissen über das Judentum

Auf 68 Seiten wird in mehr als 100 kurzen Texten und mehr als 200 Bildern das zusammengetragen, was Bezüge zum jüdischen Leben der Stadt und zum Alten Testament hat. Geschrieben hat die Texte Pfarrer Markus Trautmann, die ansprechende grafische Gestaltung übernahm Christiane Daldrup.

Im Vorwort schreibt Trautmann: „So faszinierend die Fülle von weit mehr als hundert jüdischen beziehungsweise alttestamentlichen Spuren und Symbolen, Zeichen und Zitaten in Dülmen auch erscheinen mag: Es bleibt eine bittere geschichtliche Wahrheit, dass jüdische Lebens- und Glaubenshaltung einerseits und christliches Wissen um die jüdischen Wurzeln andererseits über Jahrhunderte keinesfalls in einer Annäherung oder wenigstens friedlichen Koexistenz Ausdruck gefunden hätten.“

Von christlicher Überheblichkeit

Buchtipp
Die Broschüre „Im Bündel des Lebens – Jüdische und alttestamentliche Spuren in Dülmen“ kann über das Pfarrbüro St. Viktor, Bült 1A, 48249 Dülmen, E-Mail: stviktor-duelmen(at)bistum-muenster.de bezogen werden. Der Preis beträgt drei Euro (plus Portokosten).

Statt Annäherung habe es in der Geschichte christliche Überheblichkeit und Gedankenlosigkeit gegeben, meint Trautmann. Dies hätte zu einer „fatalen Unkenntnis und üblen Ressentiments gegenüber der jüdischen Minderheit geführt – auch wenn diese in der eigenen Nachbarschaft zuhause war“.

Wer auf die vielen alttestamentlichen Motive in den Dülmener Kirchen blickt, die in Kirchenfenstern und in Figuren in den Altarräumen entdeckt werden können, weiß sich an die Ermahnung des Apostels Paulus erinnert: „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich!“ (Römer 11,18)

Erinnerung an den religiösen Ursprung

Paulus erinnert die christliche Gemeinde, ihren religiösen Ursprung nicht zu vergessen. Das Christentum gründet auf dem Judentum. Das Neue Testament ist ohne das Alte Testament nicht verständlich. Die christliche Liturgie und die Kunst enthalten deshalb auch zahlreiche alttestamentliche Zitate und Anspielungen auf das Judentum, die Trautmann verständlich erklärt.

In der Broschüre kommen darüber hinaus Menschen zu Wort, die einen alttestamentlichen Vornamen tragen: Tobias, Elias, Joshua, Raphaela, Jonas, Joachim (Jojakim), Judith, Ruth und Susanne (Susanna). Sie erklären, was für sie der Name bedeutet.

Gedenkorte werden erklärt

Erläutert werden ebenso die jüdischen Gedenkorte der Stadt, Straßennamen wie die Edith-Stein-Straße, die Stolpersteine für die deportierten und ermordeten jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die jüdischen Friedhöfe und Symbole wie der Davidstern oder die Menora, der Siebenarmige Leuchter.

Gezeigt werden jüdische Schriftstücke aus dem Stadtarchiv und Erinnerungsstücke wie eine hebräische Bibel und Repliken der Qumran-Rolle mit den Menschen, die eine Beziehung zu diesen Gegenständen haben. So werden die Beschreibungen lebendig und persönlich.

Anerkennung von der Regierungspräsidentin

Von der Broschüre angetan ist die Regierungspräsidentin im Bezirk Münster, Dorothee Feller. Sie schreibt: „Ich freue mich zu sehen, wie intensiv sich die Kirchengemeinde St. Viktor mit der Erinnerungskultur auseinandersetzt. Um dem antisemitischen Bestreben wirksam entgegenzutreten, braucht es mehr positive Beispiel wie die der Kirchengemeinde, die nicht nur redet, sondern handelt und sich dadurch aktiv für die Menschlichkeit einsetzt.“

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