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Die Kritik am Umgang des Kölner Erzbischofs Rainer Maria Woelki mit der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen reißt nicht ab. Der unabhängige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, warf Woelki vor, die Glaubwürdigkeit der Kirche zu verspielen. Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller erklärte, es mache wohl keinen Sinn mehr, den Erzbischof im Amt zu belassen. Der Kölner Diözesanrat hatte die Mitwirkung am katholischen Reformprozess „Pastoraler Zukunftsweg“ vorerst aufgekündigt.
Der Missbrauchsbeauftragte Rörig warnte mit Blick auf Woelki vor einer zunehmenden Vertrauenskrise der Kirche. „Dieses Verhalten diskreditiert den Aufarbeitungsprozess in der katholischen Kirche insgesamt und zerstört Vertrauen, das eigentlich zurückgewonnen werden müsste“, sagte Rörig dem Magazin „Spiegel“. All die, die zur Vertuschung von sexualisierter Gewalt in der Kirche beigetragen haben, „müssen benannt werden, auch was sie getan haben“, betonte er. „Das ist der einzige Weg für die Kirche, Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückzuerlangen.“
Kirchenrechtler Schüller: Keinen Sinn, diesen Erzbischof im Amt zu belassen
Kirchenrechtler Schüller sieht keine Perspektive mehr für den Kölner Erzbischof. „Wenn ein Bischof das Vertrauen der Gläubigen verliert - und die Aufkündigung einer Zusammenarbeit durch die Laien ist ein maximales Zeichen davon - dann ist der Punkt gekommen, an dem es wohl keinen Sinn mehr macht, diesen Erzbischof im Amt zu belassen“, sagte er der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Samstag).
Wegen der schleppenden Aufklärung des Missbrauchsskandals im Erzbistum Köln hatten die Laien ihre Mitwirkung am katholischen Reformprozess „Pastoraler Zukunftsweg“ vorerst aufgekündigt. „Wir befinden uns in der größten Kirchenkrise, die wir alle je erlebt haben“, erklärte der Vorsitzende des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum, der Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD). „Verantwortliche müssen endlich auch Verantwortung übernehmen.“ Erzbischof Woelki habe „als moralische Instanz versagt und zeigt bis heute keine Haltung“, kritisierte der Diözesanrat. Zustimmung kam vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und von der kirchlichen Reformbewegung „Wir sind Kirche“.
Weihbischof Puff bedauert Fehler in der Kommunikation
Weihbischof Ansgar Puff hatte am Freitag als Bischofsvikar des Diözesanrats für das Erzbistum erklärt, es brauche offenbar „mehr Zeit, um zuzuhören, um den Austausch mit Kirchgängern, Pfarrern, Pastoralen Diensten und Engagierten vor Ort zu vertiefen“. Im Diözesanrat seien „aufrechte Christen“ und „engagierte Katholiken“ und „keine Gegner“, sagte Puff dem Kölner Online-Portal domradio.de. Zugleich bekundete er die Überzeugung, dass es dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki um Aufklärung gehe. Der Weihbischof bedauerte Fehler in der Kommunikation oder „vielleicht auch bei der Vergabe des Gutachtenauftrages“. Puff rief die Kritiker an der Bistumsleitung zum Gespräch auf. „Ich weiß auch, dass der Kardinal gerade rausfährt und Pfarrer besucht“, so der Weihbischof. „Wir müssen oft miteinander sprechen, ohne den Wunsch, den anderen irgendwie niederzumachen.“
Auslöser der Krise ist die Debatte um ein Missbrauchsgutachten der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl, das nicht veröffentlicht wurde. „Methodische Mängel“ wurden als Grund angeführt. Woelki wird zudem Vertuschung vorgeworfen, weil er 2015 einen mutmaßlichen Missbrauchsfall nicht an den Apostolischen Stuhl in Rom gemeldet hat. Woelki selbst bat Papst Franziskus um Prüfung, ob er damit eine Pflichtverletzung begangen hat.