Petra Seegers-Wilmsen ist an Parkinson erkrankt

Lebensfroh trotz Parkinson - wie Familie, Freunde und der Glaube tragen

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Petra Seegers-Wilmsen ist 38 Jahre alt, als sie die Diagnose Parkinson erhält. Bei aller Herausforderung – es war auch der Start zu einem neuen Weg, ihr Leben zu genießen.

Sie sagt, dass sie riesiges Glück hat. Klingt befremdlich von einer 40-Jährigen, die vor etwa zwei Jahren die Diagnose Parkinson erhielt. Die seither Probleme beim Laufen, beim Greifen und bei der Feinmotorik entwickelt. Die nicht weiß, wie sich diese unheilbare Krankheit künftig entwickeln wird – welche Möglichkeiten der Lebensgestaltung sie in einem Jahr, in zehn Jahren oder noch später haben wird.

Petra Seegers-Wilmsen spricht trotzdem von „Glück“. Wer sie auf ihrem Bauernhof direkt hinterm Deich zum alten Rheinarm bei Rees besucht, beginnt zu erahnen, was sie damit meint. Gerade im Frühling, wenn die Sonne sich im nahen Baggersee spiegelt und die Gänse schnatternd über das Marschland fliegen, liegt dieses Gefühl in der Luft. Sie meint aber mehr: „Meine Familie ist ein Glücksfall, mein Mann, mein Adoptivsohn, genauso wie meine Freunde, meine Arbeitskollegen, mein Glaube…“

Erste Symptome

Es war im Urlaub mit ihren Eltern, als die Zeit begann, die dieses Glücksgefühl intensiv auf die Probe stellen sollte. „Du bewegst deine Hand komisch“, bekam sie von ihren Verwandten zu hören. „Vielleicht habe ich einen Nerv eingeklemmt“, war ihre damalige Reaktion. „Parkinson war überhaupt nicht im Blickfeld, ist es doch eine Krankheit, die vor allem alte Menschen trifft.“

Die Beschwerden wurden intensiver und vielfältiger. „Es ist die Krankheit der vielen Gesichter.“ Ihre Armhaltung wurde auffällig, bei der Hausarbeit kam sie plötzlich an motorische Grenzen. Als sie für ihre Hochzeit die Tische vorbereitete, bemerkte sie, dass sie die Flächen „in Zeitlupe“ reinigte. „Ich wollte aber meine Trauung abwarten, bis ich zum Arzt gehe.“ Ihr künftiger Mann sah das anders. „Sofort!“, war seine Ansage. Wenig später lag sie im Krankenhausbett und fragte sich erschrocken: „Was ist denn jetzt los?“

Das böse P-Wort

Es begann eine Zeit großer Unsicherheit. Zunächst wurde sie als Schlaganfall-Patientin behandelt. „In der Reha aber fiel das erste Mal das böse P-Wort“, erinnert sie sich. „Böse“, weil sie sich bei der Krankheit an ihre alte Tante erinnerte. „Zitternd, hilfsbedürftig, irgendwann im Rollstuhl.“ Natürlich war das sofort mit den Fragen nach dem „Warum“ verbunden: „Warum ich?“ „Warum kann ich nicht ganz normal durchs Leben gehen?“ „Warum muss ich mit der Angst leben, dass es mir schnell noch schlechter gehen kann?“

Und dann kommt wieder ein Satz von Seegers-Wilmsen, der aufmerken lässt: „Ich hatte das Glück, dass Mister Parkinson mir nur einen Rüffel verpasst hat.“ Nur? Was kann sie der Situation Positives abgewinnen? „Ich habe meine Einstellung zum Leben ändern dürfen“, antwortet sie. Ein Satz hat seither für sie eine besondere Bedeutung gewonnen: „Das Leben ist zu kurz für irgendwann.“

Wunschzettel selbst einlösen

Ein Motto, das sie sehr ernst nimmt. „Ich schreibe mir quasi Wunschzettel, die ich selbst sofort einlöse.“ An einer Vorher-Nachher-Show im Fernsehen nahm sie teil, bei der es um ein neues Styling ihrer Haare ging. „Habe ich gewonnen.“ Sie ging ins Tonstudio und sang eine professionelle Aufnahme von Johannes Oerdings „Blinder Passagier“ ein. „Ein absoluter Moment für die Seele.“ Und sie nahm sich vor, ein Buch über ihren Lebensweg zu schreiben. Das ist bereits fertig. Der Titel: „Pleiten, Pech und Parkinson“.

Klingt mit dem Blick auf die Krankheit wieder sehr seicht, fast locker. „Vielleicht habe ich diese Einstellung von meiner Oma geerbt“, sagt Seegers-Wilmsen. „Sie hatte im Krieg so viel Grausames erlebt und war trotzdem immer lebensfroh, positiv und hoffnungsvoll.“ Eine Ausstrahlung, die Seegers-Wilmsen tief beeindruckt hat. „Das möchte ich mitnehmen auf den Weg mit meiner Krankheit.“

Herausforderung von oben

Sie hat noch von vielen weiteren Menschen Rückhalt, um ihre Situation zu meistern. „Meine Eltern haben mir immer beigebracht, mutig und stark mit Krisen umzugehen.“ Ihre Freunde lassen sie auch jetzt nicht im Stich. „Von denen bekomme ich dann auch mal einen Tritt, wenn ich mich hängen lasse.“ Auch ihre Arbeitskollegen in ihrem Job als Betreuerin junger Menschen mit psychischen Erkrankungen halten der Sozialpädagogin oft den Rücken frei.

„Bei so vielen Plus-Punkten im Leben darf man auch mal eine Herausforderung von oben kriegen“, sagt Seegers-Wilmsen. Und meint damit ihr Schicksal, das sie auch als ihr „Kreuz“ bezeichnet. „Ich habe so viele Stationen in meinem Leben gehabt, die mir Zuversicht und Gottvertrauen mit auf den Weg gegeben haben.“ Natürlich im Elternhaus und in der katholischen Jugendarbeit am Niederrhein. Auch im Studium der Sozialpädagogik an der Katholischen Fachhochschule in Münster. Genauso als Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend im Bistum Münster. Oder in der Schülerseelsorge in Vechta.

Unerschütterlicher Glaube

Medientipp:
Petra Seegers-Wilmsen:
Pleiten, Pech und Parkinson
Kurzgeschichten aus meinem (Über)Leben in der Achterbahn
52 Seiten
Romeon Verlag 2023
ISBN: 978-3-96229-513-4
Das Buch können Sie hier bequem über unseren Partner Dialogversand bestellen.

Und an vielen anderen Orten. 14-mal war sie schon umgezogen, bis sie mit ihrem Adoptivsohn auf den Bauernhof hinter dem Deich einheiratete. „Ich habe einen unerschütterlichen Glauben mitgebracht“, sagt Seegers-Wilmsen. „Da bin ich nie in eine Krise geraten.“ Ein Pfund, mit dem sie wuchern kann. Gerade jetzt, wo es auch mal schwere Tage gibt, wenn das Bein so „zickt“, dass das Aufstehen morgens eine Viertelstunde dauert. Oder wenn ihr die 80-jährige Schwiegermutter beim gemeinsamen Spaziergang wegläuft. Oder als sie den von ihr geführten Hofladen wieder aufgeben musste, weil ihr zuweilen jedes fünfte Ei auf den Boden fiel. „Das alles belastet mich zwar, Schwere legt es aber nicht auf meine Seele.“

So mühsam ihr manche Bewegungen manchmal fallen, so leicht und unbeschwert geht sie oft damit um. Weil sie in ihrer Situation nicht allein ist. Weil sie mit Zuversicht und Gottvertrauen damit umgeht. Weil sie hinterm Deich am Niederrhein auch ihre Seelen-Heimat gefunden hat. Und weil sie das neue Motto lebt, das ihr „Mister Parkinson“ beigebracht hat: „Das Leben ist zu kurz für irgendwann…“

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