93-Jähriger verhandlungsunfähig

Missbrauch: Ex-Kardinal McCarrick droht wohl kein Prozess mehr

Anzeige

Er war der ranghöchste US-Kleriker, der sich wegen Vorwürfen sexueller Übergriffe vor Gericht verantworten musste. Nun droht dem Ex-Kardinal wohl keine strafrechtliche Verfolgung mehr – doch nicht wegen eines Freispruchs.

Der frühere Washingtoner Kardinal Theodore McCarrick muss sich vorläufig nicht mehr vor einem US-Gericht wegen sexueller Übergriffe verantworten. Ein Richter in Wisconsin hat am Mittwoch (Ortszeit) ein entsprechendes Verfahren ausgesetzt, nachdem ein vom Gericht bestellter Psychologe dem 93-Jährigen Verhandlungsunfähigkeit attestiert hatte, wie das US-Portal „The Pillar“ berichtet.

Die Entscheidung soll Ende des Jahres noch einmal überprüft werden. McCarrick ist der ranghöchste US-Kleriker, der sich wegen Vorwürfen sexueller Übergriffe vor Gericht verantworten musste.

Papst hatte McCarrick aus Klerikerstand entlassen

Nachdem das Verfahren gegen ihn in Wisconsin faktisch beendet wurde, droht dem einst einflussreichen Kirchenmann keine strafrechtliche Sanktion von irgendeinem US-Gericht mehr. Ihm werden sexuelle Übergriffe gegen Jungen und junge Erwachsene aus den 1970er Jahren vorgeworfen. Der frühere Erzbischof von Washington war 2019 von Papst Franziskus aus dem Klerikerstand entfernt worden, nachdem sich entsprechende Anschuldigungen gegen ihn in einer kirchlichen Untersuchung erhärtet hatten.

McCarrick wurde im April 2023 wegen eines mutmaßlichen Übergriffs von 1977 in Wisconsin angeklagt. Er soll demnach bei einem Aufenthalt am dortigen Geneva Lake einem damals 18-Jährigen beim Baden an die Genitalien gefasst haben. Außerdem berichtete das mutmaßliche Opfer James Grein, er sei elf Jahre alt gewesen, als McCarrick, ein Freund der Familie, sich zum ersten Mal vor ihm entblößt habe. Der Geistliche habe ihn häufig – unter anderem auf Partys – sexuell missbraucht.

Mehrere Taten von McCarrick bereits verjährt

Bereits im August 2023 war im Bundesstaat Massachusetts eine ähnliche Anklage aufgrund fortschreitender Demenz McCarricks abgewiesen worden. Dort wurde er 2021 wegen Belästigung eines 16-jährigen Jungen im Jahr 1974 bei einer Hochzeitsfeier in Massachusetts angeklagt. Bei einer Anhörung im September 2021 hatte McCarrick diese Vorwürfe, die sich auf seine Zeit als Priester in New York bezogen, bestritten.

Die in Wisconsin erhobene und jetzt ausgesetzte zweite Anklage basierte nach Angaben des Bundesstaats auf einer vor drei Jahren begonnenen Untersuchung des Generalstaatsanwalts in den fünf katholischen Bistümern von Wisconsin. Das Erzbistum Milwaukee bezeichnete die Überprüfung als gezielten Antikatholizismus, während einige Anwälte der Betroffenen das Vorgehen des Staates als nicht weitgehend genug bemängelten. In den letzten Jahren sind eine Vielzahl von Missbrauchsvorwürfen gegen McCarrick erhoben worden. Vor allem aufgrund von Verjährungsfristen konnten jedoch nur wenige strafrechtlich verfolgt werden.

Betroffener hat noch Hoffnung

Am Mittwoch setzte der Richter des Walworth County, David Reddy, das Verfahren gegen McCarrick vor Gericht aus, lehnte es jedoch ab, die Anklage gänzlich abzuweisen. Er werde den Fall Ende Dezember erneut prüfen, so der Richter.

Greins Anwalt Mitchell Garabedian sagte dem Portal „The Pillar“, sein Mandant habe die Hoffnung auf eine strafrechtliche Verfolgung von McCarrick nicht aufgegeben. „Mein Mandant ist ein mutiger und entschlossener Überlebender sexuellen Missbrauchs durch Geistliche, der weiterhin vor den Zivilgerichten von New Jersey und New York Bestätigung und Gerechtigkeit gegen den ehemaligen US-Kardinal McCarrick und alle relevanten Parteien einfordern wird“, sagte der Anwalt.

Anzeige