Isolde Fugunt über Weltflucht und die Verantwortung des Journalismus

Nachrichtenvermeidung ist keine Option für Christinnen und Christen

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Die Welt wird komplizierter, für manche zu kompliziert. Doch Nachrichten einfach zu ignorieren, ist auch keine Lösung – schon gar nicht für Christinnen und Christen, sagt Isolde Fugunt in ihrem Gast-Kommentar.

Schön, dass Sie diese Zeilen lesen. Gut, dass Sie sich in Kirche+Leben informieren. Wahrscheinlich schauen Sie zusätzlich das „heute journal“, lesen eine Tageszeitung oder verfolgen ein digitales Nachrichtenmedium. Ich bin dankbar, dass sich die meisten Menschen für das Tagesgeschehen interessieren.

Mit Sorge beobachte ich, dass eine wachsende Zahl von Menschen versucht, Nachrichten aus dem Weg zu gehen. Dieses durch Studien belegte Phänomen heißt „Nachrichtenvermeidung“.

Menschen im Fokus

Sicher hat auch die Art, wie Journalist*innen berichten, dazu beigetragen, dass Menschen sich abwenden. Die Insider-Floskel „Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten“ steht stellvertretend für die mediale Fokussierung auf negative Nachrichten. Gut, dass die Branche langsam umdenkt.

Immer mehr Medien – gerade kirchliche – rücken Menschen in den Fokus, die Gestaltungsspielräume nutzen, sie machen ihren Rechercheweg transparent, suchen den Dialog mit der Leserschaft und verschreiben sich der Suche nach möglichen Lösungen. Im Fachjargon sprechen wir von „konstruktivem Journalismus“.

Wertschätzende Kritik

Die Autorin
Isolde Fugunt leitet seit 2023 als journalistische Direktorin und Geschäftsführerin die katholische Journalistenschule ifp in München – gemeinsam mit der geistlichen Direktorin Sr. Stefanie Strobel. Die katholische Journalistenschule ist Ausbildungspartnerin von Kirche+Leben.

Die ZDF-Kindernachrichtensendung „Logo!“ macht seit 35 Jahren vor, wie das geht. Wer hilft den Menschen im Erdbebengebiet? Worauf freuen sich Kinder trotz Krieg in der Ukraine? Wer tut etwas für den Frieden in Israel? Das Prinzip Hoffnung ist für Kindernachrichten wichtig – aber nicht nur dort.

Auch in der Ausbildung an der katholischen Journalistenschule spielt konstruktiver Journalismus eine zentrale Rolle. Wir legen Wert auf wertschätzende Kritik, Selbstreflexion über das eigene Tun und ergründen in Seminaren, wie die kritische Suche nach möglichen Lösungen in der journalistischen Praxis aussehen könnte.

„Verstehen, warum was passiert“

Ich finde, für Christinnen und Christen sollte Nachrichtenvermeidung keine Option sein. Wer die Gesellschaft verstehen und mitgestalten will, muss wissen, was los ist in der Welt. Es bringt meist wenig, den Kopf in den Sand zu stecken. „Fürchtet euch nicht“, ist schließlich eine der zentralen Botschaften des Christentums.

„Verstehen, warum was passiert, macht Kinder emotional sicherer“, sagt die Redaktionsleiterin von „logo!“ in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Das gilt sicher auch für Erwachsene. Daher meine Bitte: Muten Sie sich Nachrichten weiter zu. Und wenn Sie mal ein bisschen Distanz brauchen, nutzen Sie vielleicht Kindernachrichten. Es soll erstaunlich viele Erwachsene geben, die das tun – auch ohne Kinder und Enkel.

In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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