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Es dauerte ein paar Wochen, aber inzwischen werden den katholischen Gemeinden die Folgen der neuen GEMA-Spielregeln für das Aufführen von Musik außerhalb von Gottesdiensten bewusst. Erste Konzerte wurden bereits abgesagt.
Carsten Böckmann hatte sich vor einigen Wochen im Gespräch mit Kirche+Leben noch verwundert gezeigt: Damals gab es noch keinen Aufschrei in der katholischen Kirchenmusik-Szene, den der Kantor der Gemeinde St. Urbanus in Gelsenkirchen-Buer eigentlich erwartet hätte. Inzwischen aber hat sich offenbar herumgesprochen: Die Kosten für sämtliche urheberrechtlich geschützte Musik im kirchlichen Kontext – Konzerte mit ernster Musik, Gospelkonzerte, Konserven-Musik bei Gemeinde- und Kindergartenfesten, Seniorenveranstaltungen und adventlichen Feiern – sind nicht mehr über Pauschalverträge zwischen der Rechteverwertungsgesellschaft GEMA und dem Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) abgegolten. Sie müssen seit dem 1. Januar einzeln gemeldet und vergütet werden, weil sich die Vertragsparteien nicht über eine Verlängerung des Rahmenvertrags einigen konnten.
Das hat erste handfeste Folgen, Beispiel Frechen im Rheinland: Dort war für den gestrigen Sonntag, 5. Mai, in der Kirche St. Severin ein Chorkonzert geplant, berichtet der Kölner-Stadt-Anzeiger. Die Flyer waren bereits fertig, doch dann haben laut Zeitung die Organisatoren die Musikveranstaltung mit geistlicher Musik aus fünf Jahrhunderten abgesagt. Nicht aus Krankheits- oder Termingründen, vielmehr sei das Konzert „Opfer“ der GEMA-Pflicht geworden, zitiert das Blatt den Leitenden Pfarrer Christof Dürig.
Erzbistum Köln: Wir übernehmen die Kosten nicht
Das Erzbistum Köln hatte seine Gemeinden mit einer E-Mail von Anfang April über die Neuregelungen informiert, die andernorts schon länger bekannt waren. Und eindeutig gesagt, dass die Gemeinden auf den Kosten sitzen bleiben: „Die Vergütung ist von Ihnen beziehungsweise vom Veranstalter selbst aufzubringen. Eine Übernahme der Kosten durch das Erzbistum wird nicht erfolgen.“
Die Antwort der Pressestelle des Bistums Münster auf eine Anfrage von Kirche+Leben in gleicher Angelegenheit war vor einigen Wochen noch weniger eindeutig: Bisher hätten die Diözesen dem VDD Geld gegeben, der damit wiederum die Pauschalvergütung an die GEMA gezahlt habe. Dieses Geld „sparten“ die Diözesen nun nicht, sondern leisteten es „über ihre Kirchengemeinden unmittelbar an die GEMA“.
Pfarrer rätselt: Was ist künftig noch möglich?
In Frechen ist derweil Pfarrer Dürig „verunsichert, was zukünftig musikalisch noch machbar ist“. Das von Kirchenmusiker Gregor Schüller lange geplante Chorkonzert sei den beteiligten Organisatoren zu heikel gewesen und letztlich auch nicht finanzierbar, berichtet Christof Dürig gegenüber dem „Stadt-Anzeiger”. „Bei Konzerten mit freiem Eintritt und lediglich freiwilligen Spenden sind gegebenenfalls mehrere hundert Euro GEMA-Gebühren einfach nicht drin.“
Schon im Pfarrbrief hatte er geschrieben: „Es muss eine umfangreiche Meldung vor und nach jeder Veranstaltung gemacht werden und es treten locker einige hundert Euro Kosten auf! Viel Bürokratie, die auf jeden einzelnen zukommt. Und viel Geld: Wer soll das bezahlen?“
Er fühle sich, wie die Zeitung berichtet, „ein wenig alleingelassen” vom Erzbistum, das sich seiner Meinung noch deutlicher für die Kirchenmusik und die musikalischen Veranstaltungen als wichtige Bestandteile der Gemeindearbeit einsetzen müsse: „Wir dürfen gespannt sein, ob es zu einem neuen Vertrag kommt oder nun das Ende der Kirchenmusik eingeläutet wird, beziehungsweise es einen Rückschritt gibt zu Musik, die unserem modernen Verständnis entgegensteht. Es ergeben sich Fragen: Was unternehmen unser Erzbischof und die anderen Bischöfe für die Kirchenmusik?“, schreibt Dürig im Pfarrbrief. Er will mit der provokanten Aussage auch andere Gemeinden ermuntern, sich mit dem Thema zu beschäftigen.
In Bonn-Beuel nur rechtefreie Musik
Längst im Thema ist Michael Bottenhorn. Er ist Organisator der Internationalen Orgelkonzerte St. Josef in Bonn-Beuel, die wegen der GEMA-Sache in Gefahr sind, wie der „Bonner Generalanzeiger ” berichtet. Bottenhorn kündigte gegenüber der Zeitung an, die Konzerte in St. Josef würden bis zu den Sommerferien ausschließlich aus urheberrechtsfreier Musik bestehen.
Er will nicht einfach abwarten: „Sollte sich bis dahin nichts ändern, habe ich auch bereits eine Online-Petition in Erwägung gezogen.“ Er macht sich große Sorgen über den Fortbestand der Konzertreihe in ihrer bisherigen Form. Die Pressestelle des Kölner Generalvikariats teilte dem Blatt auf Anfrage mit: „Eine lebendige kirchenmusikalische Kultur dient dem religiösen Leben und bereichert unsere Gesellschaft. Dem Erzbistum Köln ist dies auch weiterhin ein wichtiges Anliegen. Wir bemühen uns, die Kirchengemeinden unter den gegebenen aktuellen Umständen bestmöglich zu beraten.“ Auch das Bistum Münster hatte auf Anfrage von Kirche+Leben auf umfassende administrative Hilfs-Angebote verwiesen.
Die Stellungnahme des Erzbistums und eine vorausgegangene des Verbands der Diözesen Deutschlands bezeichnete Bottenhorn als „in der Tat sehr dürftig“. Die Stellungnahmen der katholischen Führungsgremien offenbarten „wohlwollendes Desinteresse“. Es sei zu befürchten, dass das Thema „ausgesessen“ werde. „Dem können wir aber möglicherweise zum jetzigen Zeitpunkt noch entgegenwirken“, betonte Bottenhorn gegenüber dem „Generalanzeiger”.
Forderung: Neuregelung im Sinne des alten Vertrags
Nicht nur im Rheinland hat die Nichtverlängerung des GEMA-Vertrags Konsequenzen. In Kornburg (Nürnberger Vorstadt) hätten Kirchenchöre deshalb ihre Jubiläumskonzerte abgesagt, berichten die „Nürnberger Nachrichten“.
Gefordert wird nun von vielen Seiten, dass Diözesen und GEMA doch noch zu einer Paulschalvertrags-Einigung kommen sollten. Der Bayerische Rundfunk zitiert Raphael Baader vom katholischen Allgemeinen Cäcilienverband. Der findet, es brauche schleunigst eine neue Regelung im Sinne des alten Vertrags: „Kirchenmusik ist der Schlüssel Nummer eins, auch statistisch bewiesen, warum Menschen in Kirchen und Kirchengebäude kommen.“