Propsteikantor Böckmann befürchtet weitreichende Folgen

GEMA-Vertrag mit Kirche nicht verlängert: Es bleiben viele offene Fragen

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Noch scheint vor Ort nicht recht angekommen zu sein, dass die GEMA-Gebühren für Konzerte mit neuerer Kirchenmusik in katholischen Gemeinden nicht mehr pauschal abgegolten sind. Dabei seien die Folgen erheblich, sagt ein erfahrener Kirchenmusiker.

Wenn im öffentlichen Raum Musik aufgeführt wird, hält die GEMA die Hand auf: Es gehört zu den Aufgaben der größten und bekanntesten Verwertungsgesellschaft, die Nutzungsrechte ihrer mehr als 85.000 Mitglieder zu verwalten und dafür zu sorgen, dass sie Geld bekommen, wenn ihre Werke gespielt werden.

Bisher musste, wenn die Musik im Kontext der katholischen Kirche in Deutschland erklang, nicht einzeln abgerechnet werden, sondern es gab Pauschalverträge zwischen dem Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) und der GEMA. Nun wurde aber, wie berichtet, nur der Vertrag über jene Musik verlängert, die innerhalb einer Liturgiefeier erklingt. Der große Rest aber – Konzerte mit Musik jüngerer Komponisten außerhalb von Gottesdiensten, aber auch Musik aus der „Konserve“ beim Pfarrfest – ist künftig nicht mehr pauschal abgegolten. Darum muss man sich wohl auf Gemeindeebene selbst kümmern. Und da gibt es eine Menge Fragen.

Dasselbe gab es 2017/2018 schon einmal

Carsten Böckmann hat ein Déjà-vu, erklärt er gegenüber von Kirche+Leben: Der Propsteikantor an St. Urbanus in Gelsenkirchen-Buer und koordinierende Kirchenmusiker für einst selbstständige 16 Pfarreien in Gelsenkirchen erinnert sich lebhaft an 2017/2018. Damals stand auch eine Verlängerung zwischen dem Vertrag zwischen VDD und GEMA an – und schon damals sah es zunächst so aus, als könnte man sich nicht einigen. „Damals gab es aber Druck, etwa vor Chor-Verbänden. Aktuell höre ich davon nichts. Das lässt mich vermuten, dass die aktuelle Entwicklung bei vielen noch gar nicht angekommen ist“, sagt der Kirchenmusiker, der vor seinem Engagement in Gelsenkirchen im benachbarten St. Martinus in Herten-Westerholt (Bistum Münster) tätig war.

Für Böckmann steht jedenfalls fest: Es wäre „eine Katastrophe“, wenn bestimmte Musik in den Gemeinden nicht mehr aufgeführt würde, weil vor Ort künftig dafür eine individuelle GEMA-Gebühr fällig würde, die bisher schon pauschal abgegolten war.

Mehrere Hundert Euro Gebühr pro Aufführung sind denkbar

Das beträfe Werke aller Komponisten, die noch leben oder noch nicht 70 Jahre tot sind: Olivier Messiaen, Karlheinz Stockhausen, Igor Strawinsky. Und das komplette neue geistliche Liedgut, das Repertoire von Kinder- und Jugend-, sowie Gospelchören.

Nach einer Einschätzung gefragt, wie viel Geld da etwa für ein Konzert mit 150 Zuhörern fällig werde, hatte der Kölner Erzdiözesankirchenmusikdirektor Richard Mailänder 2018 geantwortet, das richte sich nach einer Tabelle der GEMA. Es sei nicht entscheidend, wie viele Leute kämen, sondern für wie viele Menschen Platz in der Kirche sei. Die Summe hänge auch davon ab, ob und in welcher Höhe Eintritt erhoben werde. Die GEMA-Gebühr könne sich in Größenordnungen zwischen 20 und – bei großen Gotteshäusern – mehreren Hundert Euro pro Aufführung bewegen. Immerhin soll es Rabatte geben.

Gibt es doch noch rückwirkend eine Einigung?

Im Jahr 2018 einigten sich VDD und GEMA am Ende doch noch rückwirkend auf einen neuen Pauschalvertrag, sodass das beschriebene Szenario damals noch abgewendet werden konnte. Wer zwischenzeitlich individuell für eine Aufführung bezahlt hatte, bekam das Geld zurückerstattet. Carsten Böckmann hofft, dass es auch diesmal doch noch gelingt. Immerhin sollte es bei einer Veranstaltung für die Kirchenmusiker im Bistum Essen an diesem Montag die Möglichkeit geben, Fragen zu stellen.

Und im Bistum Münster? Die Anzahl an vergütungspflichtigen Veranstaltungen mit GEMA-Repertoire sei nicht feststehend, schreibt die Bistums-Pressestelle auf Kirche+Leben-Anfrage. Wie die Zahl der Kirchenmitglieder nehme auch die Zahl der kirchlichen Einrichtungen ab, sodass die Zahl der Veranstaltungen ebenfalls tendenziell sinke. Unmittelbare Vorher-Nachher-Vergleiche seien somit nicht möglich. Was den Zahlungsfluss angehe: Bisher hätten die Diözesen dem VDD Geld gegeben, der damit wiederum die Pauschalvergütung an die GEMA gezahlt habe. Dieses Geld „sparten“ die Diözesen nun nicht, sondern leisteten es „über ihre Kirchengemeinden unmittelbar an die GEMA“.  Das klingt danach, dass die Gemeinden die Kosten nicht aus ihren eigenen Etats bestreiten müssen.

Bistum Münster: Wissen, dass die Umstellung Fragen aufwirft

Die Frage, welche Ebene künftig die GEMA-Kosten trägt, ist eine Sache. Die andere ist der Aufwand, der jetzt auf – meist ehrenamtlich tätige – Menschen auf Gemeindeebene neu zukommt. Wo bekommt man dabei Hilfe?  Die Bistums-Pressestelle schreibt dazu: „Administrative Hilfe wird selbstverständlich sowohl über die Rechtsabteilung des Bistums als auch über den VDD sowie flankierende Angebote der GEMA wie etwa Webinare angeboten. Allen Beteiligten, auch der GEMA, ist bewusst, dass eine solche Umstellung Zeit braucht und insbesondere im ehrenamtlichen Bereich Fragen aufwirft.“

Übrigens: Die Pauschalverträge zwischen der GEMA und der Evangelischen Kirche wurden zum 1. Januar 2024 verlängert.

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