Propst versichert: Rein aus Spenden finanziert

Kirchturmspitze für 1,5 Millionen? Streit um Projekt in Gelsenkirchen

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Die St.-Urbanus-Kirche in Gelsenkirchen-Buer soll für 1,5 Millionen Euro eine 62 Meter hohe Kirchturmspitze als Kunstprojekt bekommen. Die Verantwortlichen sprechen von einem „Leuchtturmprojekt“. Aber es gibt auch Kritik.

Die Spatzen pfiffen es schon länger von den Kirchendächern, jetzt ist es auch auf der Homepage der Gemeinde offiziell nachzulesen: Markus Pottbäcker, Propst der St.-Urbanus-Gemeinde in Gelsenkirchen-Buer im Bistum Essen, und der örtliche Künstler Christian Nienhaus wollen die einst im Krieg zerstörte Turmspitze unter dem Projektnamen „Melchior“ (hebr.: König des Lichts) als 62 Meter hohes kinetisches Kunstobjekt nachempfinden. Damit wäre der Kirchturm insgesamt 110 Meter hoch und würde zu den 50 höchsten weltweit gehören. Veranschlagte Kosten: 1,5 Millionen Euro. Zuerst hatte die „WAZ“ über das Thema berichtet.

St. Urbanus Buer: Das Flachdach gilt als Wahrzeichen

Hintergrund: Das besondere bauliche Merkmal der neogotischen St.-Urbanus-Kirche ist, dass sie gegenwärtig eben keine Kirchturmspitze hat. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs war das schwer beschädigte Gebäude, das die Einheimischen als „Dom“ bezeichnen, nur vereinfacht wieder aufgebaut worden – ohne Spitze, stattdessen mit Flachdach-Abschluss. Vielen im nördlichen Gelsenkirchener Stadtteil Buer, nicht weit von der Grenze zum Bistum Münster, gilt genau diese bauliche Besonderheit als Wahrzeichen und als Mahnmal gegen den Krieg.

Doch nun – übrigens nicht zum ersten Mal – gibt es eine Initiative, der Kirche wieder eine Spitze zu geben. Freilich keine konventionelle: Die Initiatoren meinen, selten sei die Beschreibung „Leuchtturmprojekt“ passender gewesen. Der Entwurf sieht ein offenes Industrie-Stahlkonstrukt vor, das „zum Nachdenken anregen soll“, ob das Werk nun fertig oder noch in der Bauphase sei. Künstler Nienhaus will dies als eine Hommage an das Ruhrgebiet und seine Fördertürme verstanden wissen. Außerdem solle „Melchior“ in verschiedenen Farben leuchten. Die Kirche, so Pottbäcker, könne dadurch wieder zu einem Orientierungspunkt werden.

Projekt „Melchior“: Keine Finanzmittel der Kirche – nur Spenden

Was den Verantwortlichen ganz wichtig ist: Es würden für das Projekt keine Finanzmittel der Kirche angetastet, vielmehr werde es aus Spenden finanziert. Und die Spender, so lässt die Gemeinde wissen, stünden schon in den Startlöchern. Es werde eine Stiftung gegründet, deren Vorstand unter anderem der ehemalige Vorstandssprecher der örtlichen Volksbank angehören soll.

Während Propst Pottbäcker mit der Aussage zitiert wird, das Bauvorhaben sei in den kirchlichen Gremien „sehr wohlwollend aufgenommen worden“ und Propst und Künstler freuten sich nun auf einen öffentlichen Austausch über das Vorhaben, berichtet das „Neue Ruhrwort“ in seiner Online-Ausgabe Anderes: Hier zeige „sich wieder einmal, dass Entscheidungen in kleinen Zirkeln getroffen werden und die Gemeindemitglieder nicht ernst genommen werden“, wird aus einem Schreiben zitiert, das in der Pfarrei am Wochenende kursiert sei. So ein Projekt müsse „im Vorfeld zumindest in der Gemeinde öffentlich diskutiert werden. Wir sollten es uns nicht länger gefallen lassen, immer vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden“. Zuletzt soll das Vorhaben in der Pfarrgemeinderatssitzung am 14. November 2023 behandelt worden sein, aber im nicht-öffentlichen Teil. Ein Blick der „Kirche-und-Leben.de“-Redaktion in das im Internet einsehbare Protokoll der angesprochenen Sitzung bestätigt: Dort wird das Vorhaben mit keinem Wort erwähnt.

Kritik an St.-Urbanus-Projekt: „Fatal für die Außenwirkung“

Kritische Stimmen, die sich am Wochenende zu Wort meldeten, geben zudem zu bedenken, eine Umsetzung sei fatal für die Außenwirkung der Kirche. Ein solches Prestige-Projekt passe nicht in die Gegenwart in einer Stadt, die regelmäßig bei Rankings zu Sozialthemen auf den letzten Plätzen lande, finanziell schlecht dastehe und von einer hohen Arbeitslosigkeit gebeutelt sei.

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