Künstler erklärt umstrittenes Kunstprojekt

Gelsenkirchen: Urbanus-Turmspitze soll „Lichtblick“ im Ruhrgebiet werden

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Keine „Discokugel“, sondern ein „Lichtblick“ für eine Stadt, die viele Probleme, aber auch viel Potenzial habe: So beschreibt der Künstler Christian Nienhaus im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“ seine Pläne für den als Lichtinstallation gestalteten neuen Kirchturm für St. Urbanus in Gelsenkirchen-Buer.

Man kennt sie, die Wand-Tattoos, die die die Skyline zum Beispiel des Ruhrgebiets anhand markanter Gebäude abbilden: die Zeche Zollverein in Essen, das Tetraeder in Bottrop, der Florianturm in Dortmund. Wenn es nach dem Gelsenkirchener Künstler Christian Nienhaus geht, müssten diese Tattoos künftig ergänzt werden: nämlich um den Kirchturm der St.-Urbanus-Gemeinde in Gelsenkirchen-Buer.

Nicht weniger als eine neue Landmarke will Nienhaus, 1976 selbst in der „Stadt der 1000 Feuer“ geboren, mit seiner kinetischen Lichtinstallation schaffen. Die soll, wie berichtet, auf das Flachdach aufgesetzt werden, das aktuell das bauliche Merkmal der neugotischen Kirche ist und vielen Bürgern als Mahnmal gegen den Krieg gilt. Denn die schwer beschädigte Kirche war nach dem Zweiten Weltkrieg in vereinfachter Form wieder aufgebaut worden.

„Von der Kirche ist nichts zu erwarten“

Immer wieder gab es Gerüchte über die Idee, der Kirche wieder einen Turm zu geben. Nun sind also, nach jahrelangen Vorarbeiten, die konkreten Pläne in der Welt. Keine Rekonstruktion soll es werden, sondern ein Kunstwerk, das die Form der alten Spitze aufnimmt. Finanziert durch Spenden.

„Von der Kirche ist nichts zu erwarten“, sagt Nienhaus, und meint damit, dass das Bistum Essen oder die Kirchengemeinde sicherlich kein Geld für sein Projekt ausgeben werde. „Die Kirche“ sei insoweit außen vor. Vielmehr werde er sein Kunstwerk jener Stiftung überlassen, die eigens für diesen Zweck gegründet wurde. Und möglicherweise, so die Hoffnung, schon im kommenden Jahr installieren lassen. Örtliche Handwerksbetriebe hätten sich schon gemeldet und Hilfe angeboten, berichtet der Künstler. Der hat nicht nur in Gelsenkirchen-Buer ein Atelier, sondern auch auf Mallorca, ist viel in der Welt herumgekommen, und ihm liegt nach eigenen Worten viel daran, einen „Orientierungspunkt“ zu schaffen in Zeiten, in denen sich Innenstädte verändern.

Debatte rund um Gelsenkirchener Kirchturmspitze erwünscht

Dass es seit Bekanntwerden der Pläne eine lebhafte Debatte und auch viel Kritik gibt, ist für Nienhaus weder schlimm noch überraschend. Es gehe um Kunst, und es wäre im Gegenteil geradezu schlimm, wenn darüber nicht diskutiert werde. Freilich geht es in der Debatte meist nicht um Nienhaus’ Entwurf selbst und darüber, ob man ihn gelungen findet oder nicht, sondern um Grundsätzliches: Sollte die Kirche überhaupt wieder eine Spitze – gleich welcher Art – bekommen? Warum ein Wahrzeichen Buers ohne Not verändern? Wie steht es um die Einbindung der Gemeindegremien?

Und unabhängig von der Art der Finanzierung: Passt es ins Bild, wenn überall Kirchen geschlossen werden, auf der anderen Seite aber ein teures Kunstprojekt entsteht? Letztere Debatte findet Nienhaus „surreal“, er will das Projekt gar nicht in diesem Kontext verstanden wissen. Offenbar gibt es genug Spender aus der örtlichen Wirtschaft, die bereit sind, sich finanziell zu engagieren – eben für diesen konkreten Zweck. Für seinen Entwurf selbst, beteuert der Künstler, habe er ausschließlich positive Rückmeldungen bekommen. Ein Blick auf seine Facebook-Seite unterstreicht diese Aussage.

Buer: Gesamthöhe des Turms nicht zufällig gewählt

„Melchior“, so der Name seines Kunstwerks, der den Turm auf eine Gesamthöhe von 110 Metern bringen und damit zur höchsten Spitze weit und breit machen würde, könnte in verschiedenen Farben gesteuert werden. Spöttische Aussagen hinter vorgehaltener Hand, der Urbanus-Kirche werde damit eine „Discokugel“ aufgesetzt, weist er zurück: Die Beleuchtung sei tagsüber einfarbig und dezent, die geplante Stahlkonstruktion schlank und so entworfen, dass sie keineswegs eine bedrängende Wirkung entfalte.

Tatsache sei aber, und das bestätigt auch Propst Markus Pottbäcker: Der Clou der ganzen Sache sei eben, dass es sich um eine Lichtinstallation handle. Die Beteiligten betonen, darüber sei man in guten Gesprächen mit der Denkmalbehörde. Die hatte deutlich gemacht, dass sie die ihr bisher bekannten Pläne skeptisch sieht. Die Gesamthöhe von 110 Metern ist übrigens nicht zufällig gewählt. Knapp 105 Quadratkilometer misst die Stadtfläche Gelsenkirchens – knapp 105 Meter hoch soll auch der Turm sein, plus gut fünf Meter für ein Kreuz. Macht zusammen 110 Meter. Gut fünf Meter hoch müsse das Kreuz sein, damit man es auch sehen könne, erklärt Nienhaus gegenüber „Kirche-und-Leben.de“.

Kunstwerk einstweilen nicht begehbar

Übrigens: Für die Öffentlichkeit begehbar sein wird das Kunstwerk, so es denn wie geplant errichtet wird, einstweilen nicht: Dafür fehlt es am nötigen Fluchtweg. Danach hatte sich Nienhaus schon erkundigt.

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