Claudia Auffenberg über die Glaubwürdigkeit von Bekenntnisliedern

„Ich will die Kirche hören“ - Glauben wir wirklich, was wir singen?

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Kein Gottesdienst ohne Kirchenlieder. Manche Texte aber sind nicht einfach nur alt, sondern befremdlich, meint Claudia Auffenberg in ihrem Gastkommentar. Soll man sie trotzdem singen, nur weil sie im Gotteslob stehen?

„Wo kämen wir denn hin, wenn wir in der Kirche glauben, was wir singen!“, sagte mir einmal augenzwinkernd ein alter, längst verstorbener Prälat. An dieses Bonmot muss ich denken, wenn im Gottesdienst solche Lieder wie „O Seligkeit, getauft zu sein“ gesungen werden. Im Erzbistum Paderborn kennen wir es unter dem Titel „Fest soll mein Taufbund immer stehen“. 

Solche Bekenntnislieder haben ja gerade Konjunktur: Zur Osternacht und zu den Erstkommunionfeiern gehört das Taufbekenntnis dazu und bei dieser Gelegenheit wird mancherorts gern eben jenes Lied gesungen. Vermutlich, weil es vertraut ist und eine schöne Melodie hat, die man so wunderbar schmettern kann. 

“In Christus neu geboren”

Die Autorin
Claudia Auffenberg ist freie Journalistin und Trauerrednerin aus Paderborn. Bis 2023 war sie Chefredakteurin des katholischen Magazin im Erzbistum Paderborn, Der Dom.

Aber Kirchenlieder haben nun einmal auch einen Text. Und sie sind keine Pausenfüller, sondern haben eine Bedeutung. Man sollte also schon so ungefähr glauben, was man singt. Ähm, aber was glauben wir denn eigentlich? 

Im Erzbistum Paderborn beginnt das Lied - auch im neuen Gotteslob noch - mit der umstrittenen Strophe „Fest soll mein Taufbund immer stehen, ich will die Kirche hören“, im Bistum Münster kommt sie an vierter Stelle, aber die Münsteraner erste Strophe ist auch befremdlich: „O Seligkeit, getauft zu sein, in Christus neu geboren.“ Mmh, glaubt das noch irgendwer oder anders gefragt: Kann das jemand erklären?

Wohl kaum! Also sollte man auch keine Gemeinde dazu nötigen. Für „die Kirche“, wer auch immer sich jetzt angesprochen fühlen möchte, wäre es eine interessante Übung, den Leuten zuzuhören, um herauszufinden, was sie glauben. 

Bibel in Mithaftung

Seit 1. Februar arbeite ich als Trauerrednerin für ein Paderborner Bestattungshaus. Ich leite Trauerfeiern und Beerdigungen - aber nicht im Auftrag der Kirche. Ich bin fasziniert, worin Menschen Trost finden, welche Bilder sie für sich entdecken, um mit der Situation einigermaßen zurechtzukommen. Nicht selten sind es Bilder, Szenen, Sätze, zu denen mir sofort biblische Geschichten einfallen. Aber darauf weise ich nur in den seltensten Fällen hin. Das Image der Kirche steht dem leider im Weg. Die Bibel wird gewissermaßen in Mithaftung genommen. 

Vielleicht wäre es eine Idee, in den Generalvikariaten und an den Orten, an denen Pastoralkonzepte ersonnen werden, konsequent, den Menschen zuzuhören und nicht darüber nachzusinnen, wie man sie dazu bringen kann, der Kirche zuzuhören. Und vielleicht würden wir dann irgendwann sogar mal singen, was wir glauben. 

In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

 

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