Theologe: Nur 69.000 von 1,5 Millionen muslimischen Schülern können Fach belegen

Nur 4,6 Prozent der Muslime erhalten Religionsunterricht: „Skandalös“

  • Der islamische Theologe Bülent Ucar kritisiert die Entwicklung des islamischen Religionsunterrichts an deutschen Schulen scharf.
  • Bei insgesamt 1,5 Millionen muslimischen Schülerinnen und Schülern sei es geradezu "lächerlich", dass nur 69.000 islamischen Religionsunterricht erhielten, sagte der Direktor des Instituts für Islamische Theologie der Universität Osnabrück.
  • Das sind 4,6 Prozent.

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Der islamische Theologe Bülent Ucar kritisiert die Entwicklung des islamischen Religionsunterrichts an deutschen Schulen scharf. Bei insgesamt 1,5 Millionen muslimischen Schülerinnen und Schülern sei es geradezu "lächerlich", dass nur 69.000 islamischen Religionsunterricht erhielten, sagte der Direktor des Instituts für Islamische Theologie der Universität Osnabrück dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das sind 4,6 Prozent. "Normal wäre es, wenn 60 bis 70 Prozent in islamischer Religion unterrichtet würden."

Laut Ucar hatte die damalige Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) schon vor 20 Jahren angekündigt, deutschlandweit islamischen Religionsunterricht einzuführen. "Dass bisher so wenig passiert ist, empfinde ich als skandalös." Die verfassungsrechtlich verbriefte Wahlfreiheit werde muslimischen Schülern vorenthalten.

"Unsere Lehrkräfte finden keine Stellen"

Das liege nicht etwa daran, dass keine Lehrkräfte zur Verfügung stünden, so der Professor für islamische Theologie. "Im Gegenteil, unsere Absolventen finden keine Stellen, weil die Kultusministerien in den Ländern keine schaffen."

Viele Schulleiter wollten keinen islamischen Religionsunterricht. Sie sähen den Religionsunterricht allgemein als Auslaufmodell. Zudem fürchteten sie um die Fächer "Werte und Normen" und Ethik, die derzeit - mangels Alternative - oft von muslimischen Schülern besucht würden.

"Auch christlicher Religionsunterricht in Gefahr"

Nach aktuellen Daten des "Mediendienstes Integration" ist die Zahl der Schülerinnen und Schüler im islamischen Religionsunterricht in Deutschland innerhalb von drei Jahren von 60.000 auf derzeit 69.000 gewachsen. In den fünf östlichen Ländern wird kein islamischer Religionsunterricht angeboten.

Ucar betonte, langfristig sehe auch er angesichts der fortschreitenden Säkularisierung den Religionsunterricht in Gefahr, auch wenn er in Grundgesetzartikel 7 noch Verfassungsrang genieße. Der Druck derjenigen, die ihn abschaffen wollten, werde immer größer. Auch die christlichen Kirchen würden ihren Religionsunterricht nicht mehr aufrechterhalten können.

Interreligiöse Konzepte?

Deshalb müssten die großen Religionsgemeinschaften in Deutschland gemeinsam ein Konzept für einen interreligiösen Unterricht entwickeln, forderte der Theologe: "Wenn wir zu lange warten, werden wir in 20 Jahren keine Gestaltungsspielräume mehr haben."

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