Der katholische Religionsunterricht in NRW wandelt sich

Wenn Kirche keine Rolle mehr spielt: Was wird aus dem Reli-Unterricht?

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Immer weniger Kinder werden noch religiös erzogen oder gehen regelmäßig in Gottesdienste. Das hat Folgen für den Religionsunterricht. Gerade an Grundschulen wird er oft zum "Erstkontakt" mit dem Glauben. Wie kann und soll das gehen?

Religionsunterricht in der Schule ist in Nordrhein-Westfalen selbstverständlich - doch an dem in der Landesverfassung verankerten ordentlichen Schulfach gehen gesellschaftliche Veränderungen nicht vorbei. Viele Schüler gehören zwar der evangelischen oder katholischen Kirche noch an, aber Glaube und Kirche spielen in ihrem Leben kaum eine Rolle.

Das hat Folgen für den Unterricht: Konnte früher Basiswissen zu Bibel oder Zehn Geboten eher vorausgesetzt werden, ist das längst nicht mehr der Fall. Im Rahmen der Weiterentwicklung der Lehrpläne aller Fächer in der Grundschule reagiert das NRW-Schulministerium auf die neue Situation.

Immer weniger christliche Schüler

Auch nimmt der Anteil christlicher Schüler stetig ab. Dieses Schuljahr ist laut Statistischem Landesamt nur noch jedes zweite Kind in Nordrhein-Westfalen katholisch oder evangelisch. An den Grundschulen sind noch knapp 200.000 Kinder katholisch.

In einigen Orten kommt wegen Schülermangels kein eigener katholischer oder evangelischer Religionsunterricht mehr zustande - das seit 2018 eingeführte Modell des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts kommt immer mehr zum Zug, bei dem Schüler beider Konfessionen gemeinsam in einer Gruppe lernen. Auch darauf reagiert der angepasste Lehrplan, der seit August 2021 gilt, wegen der Corona-Pandemie aber erst seit dem Schuljahr 2022/23 - beginnend mit der ersten Klassenstufe - umgesetzt wird.

Der Unterricht als erster Kontakt mit dem Glauben

Mit Blick auf den kooperativen Unterricht betont Katrin Holthaus, die das Referat Grundschulen im Generalvikariat des Erzbistums Paderborn leitet, die Zusammenarbeit von evangelischen und katholischen Pädagogen werde einfacher. Denn die Themen und die Struktur seien in den Dokumenten beider Konfessionen ähnlich.

Der vorherige katholische Lehrplan von 2008 ging davon aus, dass die Schüler bereits in den Familien grundlegend religiös erzogen wurden, erläutert Holthaus. Der neue Plan berücksichtigt stärker, dass auch Kinder am katholischen Religionsunterricht teilnehmen, für die das Fach der erste und wichtigste Ort der Begegnung mit dem Glauben ist.

Kreativität des Lehrers gefragt

Neben den Inhalten lernen die Schüler Fertigkeiten wie Recherchieren. Diese können die Kinder an verschiedenen Themen erproben, beispielsweise bei einer digitalen Recherche zu Bausteinen des jüdischen Glaubens wie Thora und Synagoge. Auch ist vorgesehen, dass alle Schüler einen katholischen Kirchenraum erkunden. Allerdings können die Begegnungen unterschiedlich gestaltet werden - je nach Schulort und Ideen des Lehrers.

Wichtig ist der Pädagogin Holthaus, dass im Religionsunterricht auch Phasen vorgesehen sind, die nicht durch Noten beurteilt werden. So sollen die Grundschüler in einem Gotteshaus auch ausprobieren können, eine Kerze anzuzünden oder eine Gebetshaltung einzunehmen, und danach ihre Empfindungen reflektieren. "Wir wollen nicht bewerten, wer die Augen beim Beten schließt oder sonntags in die Kirche geht", so Holthaus. Der Religionsunterricht sei keine Glaubensunterweisung.

Neue Inhalte des Religionsunterrichts

Der neue Lehrplan bedeutet laut der Dortmunder Pädagogin und Dozentin Wiebke Mette für die Lehrkräfte eine Herausforderung: "Der neue Lehrplan gibt viele Freiheiten. Aber die Lehrer müssen die Transferleistung schaffen - von der Lehrplan-Theorie hin zum praktischen und für die Schüler relevanten Unterricht." Jede Grundschule muss einen sogenannten Arbeitsplan mit konkreten Unterrichtsinhalten erstellen - angepasst an die Schule vor Ort.

Auch einige Inhalte sind neu. Grundschüler sollen künftig etwa lernen, sich mit dem Konsumverhalten an christlichen Festen wie Weihnachten auseinanderzusetzen und die unterschiedlichen Vorstellungen von Geschlechterrollen zur Zeit Jesu zu beschreiben.

Bei aller thematischen Neuausrichtung bleibt Holthaus gelassen. Wenn sie Religionslehrkräfte in ihrer Diözese den neuen Lehrplan vermittelt, sei für sie immer ein Gedanke entlastend: "Jesus wird auch weiterhin auferstehen."

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