These- und Antwort-Form erschließt das Denken von Joseph Ratzinger

Papst-Biograf Seewald veröffentlicht Buch „Benedikts Vermächtnis“

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Für den Journalisten Peter Seewald wurde Benedikt XVI. zu seinem ganz persönlichen Glaubenslehrer. Nun fasst Seewald in einem Buch zusammen, worin er das Vermächtnis des verstorbenen Papstes für Kirche und Welt sieht.

Gerade mal einen Monat ist Papst Benedikt XVI. tot - seither erscheinen Schlag auf Schlag Bücher über ihn. Sein langjähriger Sekretär, Erzbischof Georg Gänswein, sorgte schon kurz nach der Trauerfeier mit seinen Aufzeichnungen für Schlagzeilen. Peter Seewalds Verlag Hoffmann und Campe wartete 31 Tage ab: Am 1. Februar kommt dort "Benedikts Vermächtnis" heraus. Gut 30 Jahre begleitete der Journalist das Leben von Joseph Ratzinger; Interview-Bücher und andere Werke inklusive einer Biografie (2020) über ihn entstanden.

Auf 400 Seiten hat Seewald noch einmal zusammengefasst, was das Erbe des deutschen Papstes für Kirche und Welt ausmache. Im Prolog würdigt er ihn als Mann, der Geschichte geschrieben habe. Für den einst aus der Kirche ausgetretenen und kurzzeitig zum Marxisten gewordenen Seewald, der wie Ratzinger aus Altbayern stammt, wurde der Kardinal und Papst ein imponierender Gesprächspartner. Diesem sei es gelungen, Glaube und Vernunft unter einen Hut zu bringen.

Thesen und Antworten

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"Seine Art zu lehren erinnerte an spirituelle Meister, die nicht durch eitle Lektionen überzeugen, sondern durch leise Gesten, versteckte Hinweise, Langmut", notiert Seewald. Der Autor versteht es, mit flotter Feder "seinen Ratzinger" zu erklären. Um Lesern das Eintauchen in diesen Kosmos zu erleichtern, hat er sich gegen allzu lange Absätze entschieden. In einem Frage- beziehungsweise These- und Antwort-Spiel gelingt es ihm, den Werdegang und das Denken des Kirchenmanns zu erläutern.

Bisweilen hebt Seewald den Zeigefinger: "Wäre die katholische Kirche in Deutschland Ratzingers Linie gefolgt, sie stünde heute vielleicht nicht mitgliederstärker, aber profilierter und glaubensstärker da, um ihrer Aufgabe gerecht zu werden, durch eine überzeugende Ethik echter Partner bei der Lösung der schwierigen Fragen moderner Zivilisation zu sein."

Verteidigung des Lehrers Ratzinger

Ansonsten kann der Autor auf einen Fundus von Aussagen und Zitaten des Papstes zurückgreifen. Der Leser macht quasi einen Ritt durch fast ein Jahrhundert Kirchen- und Theologiegeschichte. Die Namen mancher Theologen dürften dabei, wenn es nicht gerade um Hans Küng geht, wohl nur Insidern etwas sagen.

Irgendwie liest sich das Buch auch als eine Art Antrag des überzeugten Schülers auf eine baldige Heiligsprechung seines Lehrers. Diesen verteidigt er gegen ihm angeblich übelgesinnte Journalisten, die Seewald vor allem in Deutschland ausmacht.

Die Rolle im Münchner Missbrauchsgutachten

Und Ratzinger? Der "klagte nicht. Selbst über seinen penetranten Gegner Hans Küng, der ihn übel beleidigte, wusste er Positives zu sagen." Kommt Seewald in Fahrt, hebt er an, wie weit vorausdenkend Benedikt gewesen sei, tituliert ihn als "Spindoktor" des Zweiten Vatikanischen Konzils 1962 bis 1965. Vor allem aber habe er als Papst jene Reformen angestoßen, "für die Franziskus gerühmt wird". Es sei Benedikt gewesen, der beim leidigen Missbrauchsthema die Grundlagen für Aufklärung, Prävention und Sühne geschaffen habe.

Ein eigenes Dossier widmet Seewald dem im Januar 2022 vorgestellten Münchner Missbrauchsgutachten. Er setzt sich mit den gegen Ratzinger erhobenen Vorwürfen zu der Zeit als Münchner Erzbischof von 1977 bis 1982 auseinander und folgt dessen Verteidigern: Einen Beweis für das mehrfach angekreidete Fehlverhalten bleibe das Gutachten schuldig. "Gewiss hat er nicht alles richtig gemacht. Am Ende wird die Zeit darüber urteilen, welche Bedeutung Joseph Ratzinger über den Tag hinaus zukommt", bilanziert Seewald.

Der letzte Brief

Was im letzten Lebenshalbjahr des an Silvester verstorbenen Ex-Papstes passierte, findet im Buch keine Erwähnung mehr. Einen letzten Brief, der Seewald im Oktober aus Rom erreichte, veröffentlichte das Magazin "Focus" erst in diesen Tagen. Darin offenbart Benedikt, anhaltende Schlaflosigkeit sei der entscheidende Grund für seinen Rücktritt im Februar 2013 gewesen. Seewald hofft, damit werde anderweitigen Spekulationen rund um den spektakulären Abgang des deutschen Papstes ein für alle Mal der Boden entzogen.

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