Franziskus warnt in Kathedrale von Quebec vor Sehnsucht nach sakralisierter Welt

Papst bittet Missbrauchs-Betroffene in Kanada um Vergebung

  • Bei seiner "Buß-Reise" in Kanada hat Papst Franziskus um Vergebung für sexuellen Missbrauch gebeten.
  • In der Kathedrale von Quebec erteilte er zudem jeglichen Zwangsmissionierungen der Kirche eine Absage.
  • Auch warnt er vor einer Sehnsucht nach einer sakralisierten Welt.

 

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Bei seiner "Buß-Reise" in Kanada hat Papst Franziskus um Vergebung für sexuellen Missbrauch gebeten. Dies seien "Ärgernisse, die ein entschlossenes Handeln und eine unwiderrufliche Bekämpfung erfordern", sagte er bei einem Treffen mit Bischöfen, Priestern und anderen kirchlichen Mitarbeitern am Donnerstagabend (Ortszeit) in Quebec.

Daher, so der Papst, "möchte ich gemeinsam mit euch alle Opfer erneut um Vergebung bitten. Der Schmerz und die Beschämung, die wir empfinden, müssen zu einer Gelegenheit zur Umkehr werden: Nie wieder!" Überlebende der Residential Schools und andere Betroffene, aber auch Politiker und Kommentatoren hatten eine solche Bitte schon länger gefordert.

Papst: Kirche darf nie wieder Zwang ausüben

Bei dem Treffen in der Kathedrale Notre-Dame ging Franziskus noch einmal auf kirchliche Mitwirkung in der Kolonialgeschichte ein. "Die christliche Gemeinschaft" dürfe sich "nie wieder von der Vorstellung anstecken lassen, dass eine Kultur einer anderen überlegen ist und dass es legitim ist, Zwangsmittel gegen andere einzusetzen".

Damit verwies der Papst indirekt auf eine Mentalität und Herrschaftsform europäischer Eroberer und Kolonialmächte, die von Kritikern unter dem Begriff "Doktrin der Entdeckung" (doctrine of discovery) behandelt wird. Auch dazu wurden in Kanada dieser Tage immer wieder Forderungen laut, Franziskus solle päpstliche Aussagen aus dem 15. und 16. Jahrhundert widerrufen, in denen die Unterwerfung und Entrechtung nicht-christlicher Indigener gerechtfertigt worden sei.

Franziskus: Säkularisierung an sich ist nicht negativ

Der Papst warnte in seiner Ansprache zudem vor den Einflüssen einer liberalistisch-individualistischen Denk- und Lebensweise auf andere Kulturen; diese bezeichnet er mitunter als "ideologische Kolonialisierung". "Lassen wir nicht zu, dass irgendeine Ideologie die Stile und Lebensweisen unserer Völker entfremdet und verwirrt, um zu versuchen, sie zu beugen und zu beherrschen", mahnte Franziskus.

Angesichts einer zunehmenden Abkehr von Gläubigen auch in der traditionell katholischen Provinz Quebec warnte Franziskus vor einer Rückzugs- oder Kreuzzugsmentalität in der Kirche. Säkularisierung an sich sei keine negative Entwicklung. Gott wolle, dass Menschen nicht "Sklaven, sondern Kinder sind", so der Papst. "Er will nicht an unserer Stelle entscheiden und uns nicht mit sakraler Macht in einer von religiösen Gesetzen beherrschten Welt unterdrücken." Vielmehr seien Menschen frei geschaffen und sollten laut Gottes Willen "erwachsene und verantwortliche Personen im Leben und in der Gesellschaft" sein.

Dabei berief Franziskus sich auf Aussagen von Papst Paul VI. (1963-1978), wonach Säkularisierung "ein in sich richtiges, berechtigtes und niemals im Widerspruch zum Glauben und zur Religion stehendes Bestreben" sei.

Papst warnt vor Sehnsucht nach sakralisierter Welt

Etwas anderes, so Franziskus, sei Säkularismus, "eine Lebensauffassung, die uns völlig von unserer Bindung an den Schöpfer trennt, sodass Gott 'überflüssig und zu einem Störfaktor' wird und 'neue Formen des Atheismus' entstehen". Dieser Entwicklung müssten Christen, insbesondere kirchliche Verantwortliche, sich entgegenstellen.

Allerdings dürften sie dabei nicht in die Falle laufen, "eine falsche Botschaft auszusenden". Hinter der Kritik an der Säkularisierung dürfe keine Sehnsucht nach einer sakralisierten Welt stehen, "nach einer Gesellschaft vergangener Zeiten, in der die Kirche und ihre Amtsträger mehr Macht und gesellschaftliche Bedeutung hatten".

"Sind wir Geschwister oder Konkurrenten?"

Für die kirchliche Verkündigung, so der Papst, ist "Säkularisierung eine Herausforderung an unsere pastorale Vorstellungskraft". Es komme darauf an, die christliche Botschaft mit Freude zu verkünden, mehr mit der eigenen Lebensweise als mit Worten.

Dazu gehöre es, Jesus und seine Botschaft bekannt zu machen, sowie das freie Zeugnis der Nächstenliebe, ohne Gegenleistung zu erwarten. Wichtig sei zudem ein geschwisterliches Zusammenleben in der Kirche im Einsatz für das Gemeinwohl. Dies gelte für Bischöfe, Kleriker und Gläubige. "Sind wir Geschwister oder Konkurrenten, die in Parteien gespalten sind?", fragte der Papst.

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