Opfer können nicht mehr zu Geheimhaltung verpflichtet werden

Papst schafft „Päpstliches Geheimnis“ bei Missbrauch ab

Franziskus hat das „Päpstliche Geheimnis“ bei der Verfolgung von Missbrauchsstraftaten abgeschafft. Eine Instruktion nimmt Strafverfahren zu sexuellen Handlungen unter Gewalt vom Siegel besonderer Geheimhaltung aus.

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Franziskus hat das „Päpstliche Geheimnis“ bei der Verfolgung von Missbrauchsstraftaten abgeschafft. Eine am Dienstag veröffentlichte Instruktion nimmt kirchliche Strafverfahren zu sexuellen Handlungen unter Gewalt, Drohung oder Amtsmissbrauch vom Siegel besonderer Geheimhaltung aus. Gleiches gilt für sexuelle Handlungen mit Minderjährigen, Besitz und Verbreitung von kinderpornografischem Material sowie Vertuschung.

Damit können unter anderem Opfer und etwaige Zeugen nicht zu Geheimhaltung verpflichtet werden. Auch wird die Zusammenarbeit zwischen der kirchlichen und der weltlichen Justiz erleichtert. Das Beichtgeheimnis bleibt weiter streng geschützt.

 

Ermittlungen nicht behindern

 

Zwar unterliegen laut der Instruktion „Sulla riservatezza delle cause“ („Über die Vertraulichkeit von Verfahren“) Vorgänge bei entsprechenden Taten weiter besonderer Vertraulichkeit zum Schutz der Beteiligten und Betroffenen. Gleichwohl dürften Ermittlungen und eine etwaige bestehende staatliche Anzeigepflicht nicht behindert werden. Die Instruktion tritt sofort in Kraft.

Bereits beim Kinderschutzgipfel Ende Februar im Vatikan hatte unter anderen der Münchner Kardinal Reinhard Marx die Anwendung des „Päpstlichen Geheimnisses“ bei kirchlichen Prozessen gegen Missbrauchstäter infrage gestellt. Als „Päpstliches Geheimnis“ werden strenge Geheimhaltungsnormen für bestimmte Rechts- und Verwaltungsvorgänge in der katholischen Kirche bezeichnet. Ihre Verletzung steht unter Strafe.

 

Mehr Rechte für Betroffene

 

Die Aufhebung des „Päpstlichen Geheimnisses“ in Missbrauchsverfahren ist nach Worten des früheren kirchlichen Chef-Strafverfolgers für Missbrauchsdelikte, Erzbischof Charles Scicluna, eine „epochale“ Entscheidung. Bislang hätten Opfer nicht einmal das Recht gehabt, das Urteil über ihren Täter zu erfahren, sagte der maltesische Erzbischof dem Internetportal „Vatican News“.

Das neue Gesetz gebe Bistümern beispielsweise die Möglichkeit, ihre Unterlagen zu sexuellem Missbrauch der staatlichen Justiz zur Verfügung zu stellen, sagte Scicluna. Dies bedeute gleichwohl nicht, dass alle Akten öffentlich würden. So betone die betreffende Instruktion auch das Recht aller Beteiligten auf Wahrung des guten Rufs, ihres Ansehens und ihrer Privatsphäre.

 

Ackermann: Richtiger Schritt zu mehr Transparenz

 

Der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, begrüßte die Abschaffung des „Päpstlichen Geheimnisses“. Dies sei „der richtige Schritt in einem langen Prozess der Kirche, der von vielen Seiten als notwendig angesehen wurde“, sagte der Trierer Bischof. Die Entscheidung ermögliche eine größere Transparenz und eine verbesserte Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden.

 

Betroffener: Jetzt ist Schluss mit Ausreden von Bischöfen

 

Auch einer der Wortführer im Kampf gegen sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche, der Chilene Juan Carlos Cruz, lobte die Aufhebung des „Päpstlichen Geheimnisses“. Jetzt sei Schluss mit den Ausreden von Bischöfen; künftig müssten Unterlagen an zivile Justizbehörden übergeben werden, so Cruz im Netzwerk Twitter. Er sprach von einem „wichtigen Tag für die Transparenz und für die Gerechtigkeit für die Opfer“.

Nun könne man „kriminelle Pfarrer und Bischöfe entlarven, die vorher unter dem Vorwand des ,Päpstlichen Geheimnisses' agierten und die Justiz blockierten“, schrieb Cruz. Diese Neuerung verdanke sich den Überlebenden sexuellen Missbrauchs, die in ihrem Kampf nicht nachließen.

UPDATE 16 Uhr: Reaktionen Ackermann und Cruz ergänzt.

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