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Wie entwickelt sich unsere Gesellschaft? Führen die Proteste gegen rechts zu einer dauerhaften Veränderung der Stimmung im Land? Diese Fragen stellt sich Pfarrer und #Outinchurch-Aktivist Burkhard Hose in seinem Gast-Kommentar.
„Deutschland. Aber normal“. Mit diesem Slogan verfolgte die AfD bei der letzten Bundestagswahl die Strategie, Menschen in der Ausnahmezeit der Corona-Pandemie emotional in ihrer Sehnsucht nach „Normalität“ anzusprechen. Auf Plakaten und in Video-Clips wurden Kinder und Erwachsene gezeigt, die ohne Masken und Abstandsregeln ein vermeintlich unbeschwertes Leben wie in den Zeiten vor der Pandemie führen.
Zu sehen waren weiße Vater-Mutter-Kind-Familien in harmonischer Gartenidylle, flatternde Deutschlandfahnen und Bilder, die „Freie Fahrt für freie Bürger“ propagierten. Dem wurden Szenen gegenübergestellt, die eine „verrückte Welt“ beschreiben sollten. Sie zeigten Klimaproteste, migrantische Personen in Handschellen und Regenbogenfamilien, die als „Pseudofamilien“ diffamiert werden.
AfD-Anfragen von Diskriminierung durchzogen
Der Autor:
Burkhard Hose ist Hochschulpfarrer in Würzburg, Buchautor und Vorstandsmitglied im Verein #Outinchurch.
Seit Jahren befeuert die AfD diesen Normalitäts-Diskurs. So richtete deren Bundestagsfraktion bereits 2018 eine kleine Anfrage an die Bundesregierung und erbat Auskunft über die Entwicklung der Zahlen von Menschen, die mit einer schweren Behinderung zur Welt kommen. In den von Rassismus und Ableismus durchzogenen Einzelfragen unterstellten die Abgeordneten einen Zusammenhang zwischen der Zahl von Geburten schwerbehinderter Kinder und der Anzahl von Geflüchteten in Deutschland.
Und erst vor wenigen Wochen fasste die Bundestagsfraktion erneut mit folgender kleinen Anfrage all das zusammen, was sie unter „normal“ versteht: „Betrachtet die Bundesregierung die Ablehnung der Gender-Ideologie, die sich durch die Ablehnung von 'Normalitäten' wie Heterosexualität, Weiß-sein, Nichtbehinderung, Institutionen wie der Ehe und der 'Logik des binären Denkens' im Sinne der Zweigeschlechtlichkeit auszeichnet, als Ausdruck der Ablehnung des Verfassungsstaates?“
Passt sich Gesellschaft an AfD an?
Neben den beeindruckenden Straßenprotesten der vergangenen Wochen und bedeutsamen öffentlichen Erklärungen gegen rechte Gewalt geht es nun verstärkt darum, diese „Normalitäts-Strategie“ der Rechtsextremen zu enttarnen. Denn sie entfalten in unserer Gesellschaft und im politischen Alltag längst ihre giftige Wirkung, bis hinein in die jüngsten Entscheidungen auf dem Asyl-Gipfel im Kanzleramt am 6. März, bis hinein auch in innerkirchliche Diskussionen rund um die sogenannte „Gender-Ideologie“.
Ich jedenfalls will nicht in einer Gesellschaft leben, die sich immer weiter dem anpasst, was die rechtsradikale AfD für „normal“ hält.
In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.