Gast-Kommentar von Johannes Loy zu Krieg und Frieden und eine kleine Geste

Überall Krawall und Streit – Zeit für Hirn und Herz

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Wir leben in Zeiten des Hasses und der Aufrüstung – ausgelöst durch die Corona-Pandemie oder den Ukraine-Krieg. Es braucht dringend Gesten des Friedens, sagt Redakteur Johannes Loy in seinem Gast-Kommentar.

Der Friedensgruß im Gottesdienst galt immer schon als ein starkes Zeichen der Versöhnung. Ein Grundgedanke dahinter: Nicht zum Altar treten, bevor man sich mit seinem Freund oder Nachbarn ausgesprochen hat. Zu Corona-Zeiten, auch jetzt noch, ist der Friedensgruß eher eine Kopfnick-Übung. Mittlerweile kommt man sich wieder näher, doch der alte Zustand des freundlichen Händeschüttelns ist noch nicht erreicht. Aber darum geht es auch nicht.

Ob Kopfnicken, freundliches Lächeln oder eine kleine Verbeugung vor der Bank-Nachbarin und dem Bank-Nachbarn: Ich fand schon immer, dass über dieses kleine Zeichen der Versöhnung und des Friedens zu wenig gesprochen wird. Immerhin nehmen an dieser liturgisch eingebetteten Friedensdemonstration täglich Tausende, an Sonntagen gar Hunderttausende gläubiger Menschen in den Gottesdiensten teil.

Gräben reißen immer wieder auf

Der Autor
Johannes Loy, Jahrgang 1963, ist Feuilleton-Ressortleiter der Westfälischen Nachrichten/Zeitungsgruppe Münsterland sowie Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher. Loy lebt in Senden-Bösensell, ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.

Wir brauchen diesen Frieden, weil mit Corona und Ukraine-Krieg wieder Zeiten des Hasses und der Aufrüstung heraufgezogen sind. Weil die Gräben in unserer scheinbar so ruhigen und satten Gesellschaft seit Jahren immer wieder neu aufreißen. Seit 2015 erleben wir das hässliche Gesicht der Pegida-Feindlichkeit gegenüber Migranten und Flüchtlingen, in der Corona-Zeit die Frontstellung zwischen Impfbefürwortern und Impfgegnern. Und jetzt Debatten, öffentliche Streitschriften und Briefe über den rechten Weg zur Unterstützung der Ukraine. Tagtäglich neu befeuert durch Twitter-Botschaften und Talkshows.

Als sei das alles noch nicht genug, registrieren aufmerksame Kulturbeobachter mit Befremden, wie sich Dichter und Denker des deutschen PEN-Zent­rums wie die Kesselflicker fetzen. Von Mobbing ist die Rede, von Kompetenzüberschreitung. Deniz Yücel möchte schließlich trotz gerade noch verhinderter Abwahl nicht mehr Präsident einer „Bratwurstbude“ sein und wirft die Brocken hin. Unversöhnlichkeit allerorten. Auch intellektuelles Format scheint nicht vor Aggression zu schützen, auch ein Doktortitel nicht vor moralischem Schwachsinn.

Frieden fängt im Kleinen an

Seit Wochen nun streiten wir uns über „schwere Waffen“ für die Ukraine. Das Wort „Panzerhaubitze“ könnte das Wort des Jahres werden, zumal es sogar von Grünen inflationär verwendet wird, die sonst eher von Streuobstwiesen oder Bienenstöcken schwärmen. So ändern sich die Zeiten.

Was sich nicht ändert: Der Frieden fängt im Kleinen an. Auf den Frieden in der Ukraine zu hoffen, daheim aber den Krieg zwischen Familien und Nachbarn anzuzetteln, das geht nicht zusammen. Dem heiligen Franziskus wird das Gebet zugeschrieben, das wir alle kennen: „Herr, mache mich zu einem Werkzeug deines Friedens!“ Es lohnt sich, diese Zeilen wieder einmal langsam durch Herz und Hirn perlen zu lassen.

In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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