Zukunft der Kleinstdiözese ungewiss

Umstrittener Erzbischof Haas tritt zurück - Vaduz hofft auf Neuanfang

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Wolfgang Haas war der letzte im Amt jener kontroversen Bischofsernennungen der 1980er Jahre im deutschen Sprachraum. Nun ist der bischöfliche Stuhl in Liechtenstein leer. Die Zukunft der Kleinstdiözese ist ungewiss.

Von guter Nachbarschaft sprach Bischof Benno Elbs am Mittwoch. Papst Franziskus hatte ihn soeben zum Interimsverwalter der Liechtensteiner Erzdiözese Vaduz ernannt – zusätzlich zu seiner Aufgabe als Bischof von Feldkirch in Österreich. Gute Nachbarn schauten aufeinander, so der gebürtige Vorarlberger. Und weil das so ist, weiß Elbs auch, dass er in Vaduz auch und vor allem als Brückenbauer gefragt ist. Seine zusätzliche Aufgabe wolle er möglichst unaufgeregt und vorurteilsfrei wahrnehmen, kündigte er an.

Der Liechtensteiner Erzbischof Wolfgang Haas tritt in den Ruhestand. Papst Franziskus ließ ihn kurz nach seinem 75. Geburtstag gehen; altersbedingt und fristgemäß nach dem Kirchenrecht. Haas hinterlässt nach knapp 26 Jahren Pontifikat keine einfache Situation. Doch die Ernennung von Elbs ist auch ein Signal aus Rom, dass sich die Türen zu den alpenländischen Nachbarn nun wieder öffnen. Erste Stimmen aus Vaduz klangen am Mittwoch jedenfalls freudig und zuversichtlich.

Reihe von konservativen Bischofsernennungen

Vor einem guten Vierteljahrhundert, im Dezember 1997, erhielt das kleine Alpen-Fürstentum Liechtenstein, mit weniger als 40.000 Einwohnern zwischen Österreich und der Schweiz gelegen, ein eigenes Erzbistum Vaduz, das vom Schweizer Bistum Chur abgetrennt wurde. Warum? Es brauchte eine neue Verwendung für den damaligen Churer Bischof Haas, der mit seiner äußerst konservativen Amtsführung und seinem Kommunikationsstil dort nicht mehr zu halten war.

Haas ist der letzte Überlebende – und war der letzte Amtsinhaber – aus einer Riege sehr kontroverser und entschieden konservativer Bischofsernennungen der späten 1980er Jahre im deutschen Sprachraum unter dem heiligen Johannes Paul II. (1978-2005). Die Kardinäle Hans Hermann Groer (Wien) und Joachim Meisner (Köln), die Bischöfe Kurt Krenn (Sankt Pölten) und Haas (Chur) regierten Diözesen in Unfrieden. Einer (Groer) stolperte über eigenen Missbrauch Minderjähriger, ein anderer (Krenn) über einen Sex-Skandal in seinem Priesterseminar.

Haas in Chur direkt vom Vatikan ernannt

Im schweizerischen Chur war Haas vom Vatikan direkt ernannt worden. Auf Bitten des damaligen Bischofs Johannes Vonderach wurde er im Frühjahr 1988 vom Papst zum Koadjutor („Helfer“ des Bischofs) mit Nachfolgerecht ernannt. Damit wurde das Recht des Domkapitels auf eine freie Bischofswahl umgangen; eine Möglichkeit, die freilich im Kirchenrecht vorgesehen ist.

In Chur stieß Haas durch seinen Kurs und seine Personalentscheidungen auf erbitterten Widerspruch bei den an Mitbestimmung gewöhnten Katholiken. Nach Jahren vieler Unruhe und Konflikte fand der Vatikan 1997 schließlich eine Lösung für die Churer Querelen: Das rund 160 Quadratkilometer kleine Fürstentum Liechtenstein, seit 1806 staatlich souverän, aber kirchenrechtlich von alters her zum Schweizer Bistum Chur gehörig, wurde zur selbstständigen Erzdiözese mit Bischofssitz in der Hauptstadt Vaduz erhoben, Haas' Heimatstadt. Dem Traditionsbistum Chur wurde dafür 1,3 Prozent seiner Fläche von gut 12.000 Quadratkilometern abgeschnitten.

Haas isolierte sich und sein Erzbistum

Die Nachricht sorgte damals bei vielen Liechtensteinern für Empörung. Sie drohten mit einer Kirchenbesetzung und einer Störung der Amtseinführung. Die Regierung, fast der gesamte Landtag und der Kirchenchor boykottierten die Feier. Fürst Hans-Adam II. dagegen stellte sich hinter Haas und das neue Erzbistum.

Auch das folgende Vierteljahrhundert im katholisch geprägten Liechtenstein blieb keineswegs frei von Reibungen. Der Theologe Günther Boss sprach unlängst von einem Erzbistum mit nur zehn Pfarreien, das „in dieser Kleinheit absurd“ sei. Nicht nur die Gläubigen seien komplett isoliert; auch Haas habe sich zunehmend isoliert. „Niemand kommt mehr an ihn heran. Teilweise nicht mal mehr sein eigener Klerus“, so Boss.

Bleibt Erzbistum Liechtenstein erhalten?

Eine Beteiligung am von Papst Franziskus ausgerufenen weltweiten synodalen Prozess lehnte Erzbischof Haas als unnötig ab. Im kleinen Liechtenstein, argumentiert er, könne man jederzeit miteinander sprechen. Allerdings, so der Theologe Boss, zeige Haas „keinerlei inhaltliches Interesse an der Meinung der Gläubigen“. Deshalb machten sich Boss und sein „Verein für eine offene Kirche“ auf einen eigenen Synodalen Weg für Liechtenstein, vorbei am Erzbischof.

Boss fordert: „Es braucht eine Öffnung nach außen; eine stärkere Einbindung in eine Bischofskonferenz und eine Verbindung zu anderen Bistümern und Bischöfen.“ Und wenn das nicht geschieht? „Dann bleiben wir weiter unter einer Käseglocke.“ Inzwischen deutet alles darauf hin, dass das Konstrukt Johannes Pauls II. von 1997 auch über die Ära Haas hinaus bestehen bleibt.

Allerdings gebe es für die Ernennung eines neuen Erzbischofs noch keinen Zeitplan, so der Papstbotschafter für die Schweiz und Liechtenstein, Erzbischof Martin Krebs. Die erforderlichen Konsultationen und Prozesse erforderten „erfahrungsgemäß sicher ein halbes Jahr“, mindestens.

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