Münsters Dompfarrer Gerhard Theben zeigt besonderes Osterlob im Paulusdom

Wenn Mönche Bienen auf dem Kopf malen: 1.000 Jahre alte Exsultet-Rolle

Anzeige

Ein festliches Loblied auf die Osterkerze: Das Exsultet ist der erste Höhepunkt der Osternacht. Münsters Dompfarrer Gerhard Theben hütet es in einer ganz besonderen Form.

Mit den Hasen hat er es zu Ostern nicht so, mit den Bienen umso mehr. Münsters Dompfarrer Gerhard Theben ist begeistert von den fleißigen Tierchen – und das vor allem, weil sie in der Osternacht als Wachsproduzentinnen festlich besungen werden: im „Exsultet“, dem uralten, poetischen Loblied auf die Osterkerze, Symbol für die Auferstehung Christi, der die Dunkelheit des Todes besiegte.

Mehr noch als die Bienen hat es Theben dieser lange Text angetan (Wortlaut unter diesem Artikel), der ganz zu Beginn der nächtlichen Feier im Licht der am Osterfeuer entzündeten Osterkerze feierlich gesungen wird. Für Theben „einer der großartigsten Texte der Weltliteratur“.

Meisterwerk auf dem Wohnungsflur

Besonders fasziniert ist er von einer paradoxen Formulierung, in der die „felix culpa“, die „glückliche Schuld“ Adams besungen wird: „Welch großen Erlöser hast du gefunden!“: „Das ist schon etwas sehr Tiefes, womöglich auch Missverständliches“, erläutert Theben. Für ihn „eine abgründige Form, von der Schuld des Menschen zu sprechen, die ihn zugleich hoffend begeistert sein lässt“. Aus dem vierten oder fünften Jahrhundert soll der Text stammen. Immerhin rund 1000 Jahre alt ist ein Schatz, den Theben hütet: eine sogenannte Exsultet-Rolle.

Oder besser gesagt: ein Faksimile davon, das in den 1960er Jahren in nur wenigen hundert Exemplaren produziert wurde. „Es stammt wohl aus dem Benevent in Italien“, erläutert der Dompfarrer, während er das rund achteinhalb Meter lange und 20 Zentimeter breite Meisterwerk der Buchmalerei im Flur seiner Wohnung ausrollt. 

In der Schreibstube

Beim staunenden Betrachten fühlt man sich in die Schreibstube des hochmittelalterlichen Klosters zurückversetzt, in dem ein Mönch daran gearbeitet hat: wie er Buchstabe für Buchstabe mit der Feder schrieb, kunstvoll in leuchtend roten, grünen, blauen und braunen Farben Apostel, Bischöfe, Christus malte. Jedoch nicht in einem Buch, sondern auf einer Rolle. 

„Sie müssen sich das so vorstellen“, erklärt Theben: „Der Diakon sang das Exsultet von der Kanzel an einem hohen Leuchter, die Hand fest an der Osterkerze – und die Rolle wurde abgerollt, sodass die Gläubigen unter ihm die Bilder seitenverkehrt so dargestellt sahen, dass sie sie erkennen und so verstehen konnten, was der Diakon auf Latein sang.“ So sahen die Menschen in der Osternacht auch die fleißigen Bienen, wie sie auf der Exsultet-Rolle von Blüte zu Blüte fliegen. 

Besser als ein Hasenfest

Theben erklärt: „Ursprünglich übernahm man den Abschnitt fast wörtlich aus dem Bienenlob des römischen Dichters Vergil, der im ersten Jahrhundert vor Christus lebte.“ Heute werden die Bienen im Exsultet lediglich noch in einem einzigen Satz dafür gerühmt, das aus ihrem „köstlichen Wachs“ die Osterkerze bereitet wurde.

Ein bisschen klingt in Thebens Erläuterung Enttäuschung über die Streichung seit der Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil mit. Er tröstet sich selbst: „Auf jeden Fall bleibt ein Lob der Natur! Das ist doch heute wieder ganz aktuell!“ Und darum gefallen ihm die Bienen zu Ostern weitaus besser als das „Hasenfest, zu dem Ostern heute verkommen ist“. 

Präsentation im Paulusdom

Obschon, sagt er noch, natürlich auch der Hase seine christliche Bedeutung habe. Er selber habe das Faksimile von einer Buchhändlerin in Emmerich erhalten, als er dort in den 1990er Jahren Pfarrer war. „Die Dame hat mir das Exsultet geschenkt, weil es keiner in ihrer Familie mehr haben wollte“, berichtet Theben. Für ihn als Priester und Kulturexperten sei die Exsultet-Rolle schlichtweg dies: „eine Gottesgabe“.

Umso mehr bedauere er es, dass der gesamte Text nicht im „Gotteslob“ steht. „Mir geht es darum, dass dieses Gebet, dieser wunderbare Hymnus der Osternacht, wieder mehr unters Volk kommt.“ Und darum lädt der Dompfarrer am Mittwoch nach Ostern (3. April 2024, 18.30 Uhr) unter dem Leitwort „Frohlocket, ihr Chöre der Engel“ zu einer Präsentation mit österlicher Betrachtung des Exsultet in den Kreuzgang des Paulusdoms.

Das Exsultet - Lob der Osterkerze
Anmerkung: Die in Klammern gesetzten Texteabschnitte werden nur von einem Diakon oder Priester gesungen
Frohlocket, ihr Chöre der Engel, frohlocket, ihr himmlischen Scharen, lasset die Posaune erschallen, preiset den Sieger, den erhabenen König! Lobsinge, du Erde, überstrahlt vom Glanz aus der Höhe! Licht des großen Königs umleuchtet dich. Siehe, geschwunden ist allerorten das Dunkel. Auch du freue dich, Mutter Kirche, umkleidet von Licht und herrlichem Glanze! Töne wider, heilige Halle, töne von des Volkes mächtigem Jubel.
(Darum bitte ich euch, geliebte Brüder, ihr Zeugen des Lichtes, das diese Kerze verbreitet: Ruft mit mir zum allmächtigen Vater um sein Erbarmen und seine Hilfe, dass er, der mich ohne mein Verdienst, aus reiner Gnade, in die Schar der Leviten berufen hat, mich erleuchte mit dem Glanz seines Lichtes, damit ich würdig das Lob dieser Kerze verkünde.)
(V: Der Herr sei mit euch.
A: Und mit deinem Geiste.)
V: Erhebet die Herzen.
A: Wir haben sie beim Herrn.
V: Lasset uns danken dem Herrn, unserm Gott.
A: Das ist würdig und recht.
V: In Wahrheit ist es würdig und recht, den verborgenen Gott, den allmächtigen Vater, mit aller Glut des Herzens zu rühmen und seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn Jesus Christus, mit jubelnder Stimme zu preisen. Er hat für uns beim ewigen Vater Adams Schuld bezahlt und den Schuldbrief ausgelöscht mit seinem Blut, das er aus Liebe vergossen hat. Gekommen ist das heilige Osterfest, an dem das wahre Lamm geschlachtet ward, dessen Blut die Türen der Gläubigen heiligt und das Volk bewahrt vor Tod und Verderben.
Dies ist die Nacht, die unsere Väter, die Söhne Israels, aus Ägypten befreit und auf trockenem Pfad durch die Fluten des Roten Meeres geführt hat. Dies ist die Nacht, in der die leuchtende Säule das Dunkel der Sünde vertrieben hat. Dies ist die Nacht, die auf der ganzen Erde alle, die an Christus glauben, scheidet von den Lastern der Welt, dem Elend der Sünde entreißt, ins Reich der Gnade heimführt und einfügt in die heilige Kirche. Dies ist die selige Nacht, in der Christus die Ketten des Todes zerbrach und aus der Tiefe als Sieger emporstieg. Wahrhaftig, umsonst wären wir geboren, hätte uns nicht der Erlöser gerettet.
O unfassbare Liebe des Vaters: Um den Knecht zu erlösen, gabst du den Sohn dahin! O wahrhaft heilbringende Sünde des Adam, du wurdest uns zum Segen, da Christi Tod dich vernichtet hat. O glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden! O wahrhaft selige Nacht, dir allein war es vergönnt, die Stunde zu kennen, in der Christus erstand von den Toten. Dies ist die Nacht, von der geschrieben steht: „Die Nacht wird hell wie der Tag, wie strahlendes Licht wird die Nacht mich umgeben.“ Der Glanz dieser heiligen Nacht nimmt den Frevel hinweg, reinigt von Schuld, gibt den Sündern die Unschuld, den Trauernden Freude. Weit vertreibt sie den Hass, sie einigt die Herzen und beugt die Gewalten.
In dieser gesegneten Nacht, heiliger Vater, nimm an das Abendopfer unseres Lobes, nimm diese Kerze entgegen als unsere festliche Gabe! Aus dem köstlichen Wachs der Bienen bereitet, wird sie dir dargebracht von deiner heiligen Kirche durch die Hand ihrer Diener. So ist nun das Lob dieser kostbaren Kerze erklungen, die entzündet wurde am lodernden Feuer zum Ruhme des Höchsten.
Wenn auch ihr Licht sich in die Runde verteilt hat, so verlor es doch nichts von der Kraft seines Glanzes. Denn die Flamme wird genährt vom schmelzenden Wachs, das der Fleiß der Bienen für diese Kerze bereitet hat.
O wahrhaft selige Nacht, die Himmel und Erde versöhnt, die Gott und Menschen verbindet!
Darum bitten wir dich, o Herr: Geweiht zum Ruhm deines Namens, leuchte die Kerze fort, um in dieser Nacht das Dunkel zu vertreiben. Nimm sie an als lieblich duftendes Opfer, vermähle ihr Licht mit den Lichtern am Himmel. Sie leuchte, bis der Morgenstern erscheint, jener wahre Morgenstern, der in Ewigkeit nicht untergeht: dein Sohn, unser Herr Jesus Christus, der von den Toten erstand, der den Menschen erstrahlt im österlichen Licht; der mit dir lebt und herrscht in Ewigkeit. A: Amen.

Anzeige