Eine besondere Bestattungszeremonie in Altenberge

Würdige Ruhestätte für alte Bibeln, Kreuze und Rosenkränze

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Wohin mit nicht mehr gebrauchten Gebetbüchern, Kreuzen, Rosenkränzen, Heiligenfiguren und anderen kirchlichen Devotionalien? Der Heimatverein in Altenberge hat eine besondere Antwort gefunden. 

Es war eine würdevolle Beisetzung besonderer Art, als etwa 50 Frauen und Männer am Alten Friedhof in Altenberge zusammenkamen, um im Rahmen einer Beisetzungszeremonie Abschied von nicht mehr benötigten oder gebrauchten Bibeln, Gebetbüchern, Rosenkränzen, Kreuzen und anderen Devotionalien zu nehmen. „Damit die geweihten und gesegneten Gegenstände nicht mit schlechtem Gewissen in den Müll geworfen werden, hatten wir vom Heimatverein die Möglichkeit angeboten, die nicht mehr im Gebrauch befindlichen Gegenstände, Devotionalien und Bücher zum Heimathaus zu bringen“, sagt Christine Kaßner, Ideengeberin der Initiative.

Andacht auf dem Friedhof

Seltene und kunsthistorisch besondere Kreuze, Rosenkränze und kirchliche Erinnerungsstücke wie Geschenke zur Erstkommunion behält das Heimathaus für eine dauerhafte Präsentation. „Aber wir können nicht alles verwahren. Eine ganze Wand haben wir schon mit besonderen Kreuzen bestückt. Einige Rosenkränze, alte Bibeln und Gebetbücher sowie alte liturgische Geräte stellen wir in Vitrinen aus.“

So wurde eine Kiste mit den nicht aufzubewahrenden Gegenständen sprichwörtlich „zu Grabe getragen“. Die Andacht hielt der Altenberger Pastor Rogers Biriija, der die Bestattung befürwortet hatte: „Ich freue mich, dass wir diesen würdevollen Weg gefunden haben, unsere religiösen Gegenstände beizusetzen“, sagte der Seelsorger während der Zeremonie. Begleitet wurde die Feier von einer Formation der „Kiepenkerle“ und mit dem Singen von Liedern wie „Vertraut den neuen Wegen“.

„Der Sperrmüll ist keine Alternative“

Ein altes Gebetsbuch, einen Rosenkranz und ein Holzkreuz für die „Beisetzung“ gab Maria Bußmann, die im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“ sagt: „Das Holzkreuz stammt von der Grabstelle meines kürzlich verstorbenen Mannes. Als der Grabstein aufgestellt wurde, war das Kreuz mit dem Namen meines Mannes übrig. Sollte ich das in die Mülltonne werfen oder dem Steinmetz zur Entsorgung überlassen? Ich bin froh, dass für das Kreuz ein würdevoller Platz gefunden worden ist.“

In vielen Gesprächen hat Christine Kaßner erfahren, wie schwer man sich tut, sich von religiösen Gegenständen zu trennen, die gleichwohl nur im Keller oder auf dem Dachboden herumliegen: „Der Sperrmüll ist keine Alternative. Es gibt eine natürliche Ehrfurcht vor religiösen Dingen, selbst wenn man gar nicht religiös eingestellt ist. Nach einer Haushaltsauflösung stellt sich die Frage: Was tun wir damit?“

Jüdisches Ritual als Vorbild

Christine Kaßner erinnerte sich an den jüdischen Brauch, geweihte Gegenstände, die nicht mehr benutzt werden, feierlich zu begraben. „Heilige Schriften, die nicht mehr benötigt werden, dürfen im orthodoxen Judentum nicht einfach weggeworfen werden, weil es Pflicht ist, den Namen Gott nicht zu missbrauchen. Für sie gibt es einen besonderen Ablageort: die Genisa, ein abschließbares Holz-Schränkchen für ausrangierte Gebetbücher, Tora-Rollen und weitere religiöse Gegenstände.“

Von Zeit zu Zeit werde die Genisa ausgeräumt und der Inhalt auf einem jüdischen Friedhof feierlich beerdigt. Beim Vergraben werden unter anderem ein Kaddisch zum Totengedenken, Psalmen und Gebete gesprochen.

Einladung zum „Beerdigungscafé“

„In unserer Tradition hingegen wurden und werden Gebetbücher und Heilige Schriften oft über Generationen weitergegeben. Es stellt sich die Frage, was man damit machen soll“, sagt Christine Kaßner. Als ein evangelischer Pfarrer in Göttingen vor einiger Zeit nach dem jüdischen Ritual christliche Symbole und Bücher in die Erde legte, habe sie diese Form dem Heimatverein zur Nachahmung empfohlen.

In Altenberge habe die Verabschiedung von Gegenständen viel Beachtung gefunden, meint die Initiatorin. Auf Einladung des Heimatvereins sind die Teilnehmenden noch zu einem „Beerdigungscafé“ zusammengekommen, um Erinnerungen auszutauschen.

Nicht alle abgegebenen Gegenstände seien beigesetzt worden. Kleine Kreuze und eine Tüte mit Rosenkränzen verwahre Pastor Rogers Biriija für seine nächste Reise in sein Heimatland Uganda, wo er die Andachtsgegenstände verteilen werde.

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