Scharfe Kritik von Matthias Eggers an Bischof Wilmer und Bistum Hildesheim wegen Aufarbeitung

Zoff mit Bistum: Hunderte in Wolfenbüttel wollen Pfarrer behalten

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In Wolfenbüttel im Bistum Hildesheim stellen sich hunderte Gemeindemitglieder hinter ihren Pfarrer, der das Bistum und ihren Bischof Heiner Wilmer in Sachen Missbrauchsaufarbeitung scharf kritisiert hatte. Worum es im Detail geht.

Protest der Messdiener während des Gottesdienstes und eine übervolle Kirche mit rund 800 Teilnehmern: Am Sonntag hat sich die Gemeinde St. Petrus in Wolfenbüttel hinter ihren Pfarrer Matthias Eggers gestellt. Der hatte in den letzten Tagen und Wochen massiv Kritik an der Bistumsleitung in Hildesheim geübt. Deutlich zu heftig für das Bistum: Es will den Geistlichen nun dazu bewegen, auf seine Aufgabe als Pfarrer zu verzichten, um zukünftig als Priester und Seelsorger ohne Leitungsamt tätig zu sein. Das bestätigte Bistumssprecher Volker Bauerfeld gegenüber Kirche+Leben.

Worum es in dem Streit zwischen Bischof Wilmer und dem Pfarrer geht

Seit 2006 ist Matthias Eggers Pfarrer in der Gemeinde St. Petrus in der Kreisstadt Wolfenbüttel im Bistum Hildesheim. Bei Betroffenen sexueller Gewalt in der katholischen Kirche ist Eggers sehr geschätzt. Und er setzt Akzente, die beim Bistum Hildesheim nicht immer gut ankommen. So sei Weihbischof Heinz-Günter Bongartz zur Firmung in seiner Gemeinde nicht mehr willkommen, sagt der Pfarrer. 

Eggers wirft Bongartz vor, dass er als damaliger Personalverantwortlicher nicht alles getan habe, um die Taten eines mittlerweile verstorbenen Priesters aufzuklären. Das Bistum weist das zurück. Der Geistliche hatte bis zum seinem Tod 2019 in Eggers Pfarrei gelebt.

Interview in der Lokalpresse

Vor dem Pfingstwochenende veröffentliche die Hildesheimer Allgemeine Zeitung ein großes Interview mit Pfarrer Matthias Eggers. Darin kritisiert er Bischof Heiner Wilmer und das Bistum Hildesheim heftig und löste eine breite Aufmerksamkeit aus. „Der Wille zur schonungslosen Aufklärung und Aufarbeitung ist weithin nirgends wirklich vorhanden“, sagt er da an sein eigenes Bistum adressiert und: „Es gibt überall viele schöne Worte, aber immer nur so viele Taten, bis die Öffentlichkeit das Interesse verliert.“

Zudem kritisiert Eggers in dem Interview, im Bistum Hildesheim sei „eine verbale Fassade“ errichtet worden – obwohl Bischof Wilmer bei seinem Amtsantritt 2018 in Sachen Missbrauchs-Aufarbeitung angekündigt habe „jeden Stein umzudrehen.“ 

Wie das Bistum Hildesheim reagiert

Eggers Vorwürfe im Interview der „Hildesheimer Allgemeinen Zeitung“ kann Bistumssprecher Bauerfeld nicht nachvollziehen. Die Aussagen seien „sehr pauschal und undifferenziert“. Eggers äußere Behauptungen ohne Belege. „Wir haben zwei große Aufarbeitungsstudien in Auftrag gegeben, eine dritte befindet sich gerade in der Ausschreibung“, so Bauerfeld. Bei Hinweisen reagiere man sofort.

Am vergangenen Freitag wurde dann öffentlich, dass Eggers auf sein Pfarramt in Wolfenbüttel freiwillig verzichten und künftig als Priester und Seelsorger ohne Leitungsamt tätig sein soll. Das Bistum Hildesheim bestätigt dies gegenüber Kirche+Leben.

Geplanter Wechsel Eggers in Wolfenbüttel?

Turnusgemäß wechselten Pfarrer rund alle zwölf Jahre, stellt Bistumssprecher Volker Bauerfeld klar. So sei es ganz normal, dass Eggers nun nach 18 Jahren in Wolfenbüttel aufgefordert werde, eine neue Pfarrstelle zu finden. Im Gespräch mit Kirche+Leben widerspricht Eggers dieser Darstellung. Zwar gebe es tatsächlich Gespräche über angebotene Stellen, sie seien aber noch nicht abgeschlossen. 

Eine Versetzung sei erst in wenigen Jahren geplant so Eggers: „Ich soll nach der Versetzung aber erstmal eine Auszeit nehmen. Das hat mir der Bischof gesagt.“ Ob eine Auszeit tatsächlich von Bischof Wilmer gefordert wurde, kann Bistumssprecher Volker Bauerfeld auf Anfrage von Kirche+Leben nicht bestätigen. Ebenso wenig, dass Eggers im Falle einer Ablehnung des Amtsverzichtes ein Amtsenthebungsverfahren drohe.

Große Solidarität in Wolfenbüttel

Die Gemeinde in Wolfenbüttel lässt derweil an ihrer Position keinen Zweifel: Fotos vom vergangenen Sonntag zeigen eine übervolle Kirche und zahlreiche Protest-Transparente. Rund 800 Menschen seien gekommen, berichten Besucher Kirche+Leben. 

Allein rund 70 Messdiener bekundeten mit einem großen Banner während des Gottesdienstes ihren Unmut gegenüber der Verzichtsforderungen des Bistums. Vor der Kirche waren bunte Demo-Schilder zu sehen, die Gemeindemitglieder gebaut hatten.

Unterstützung von Betroffenen für Pfarrer Eggers

Auch der Betroffenenbeirat Nord, ein Gremium von Betroffenen sexuellen Missbrauchs durch Geistliche aus den Bistümern Hamburg, Hildesheim und Osnabrück bekundete in einer Pressemitteilung seine volle Solidarität mit Pfarrer Matthias Eggers. Etliche suchten Kontakt zu ihm. 

Er sei ein „Seel-Sorger“. Zuletzt fordert der Beirat: „Wir rufen Bischof Wilmer auf, sein Ultimatum zu überdenken, Pfarrer Eggers als Seelsorger wert zu schätzen und sein Wissen um die Verletzungen von Betroffenen zu würdigen und zu nutzen.“

Wie verhält sich Matthias Eggers gegenüber dem Bistum Hildesheim?

Matthias Eggers will sich in den kommenden Tagen beraten lassen und dann entscheiden, ob er freiwillig auf das Pfarramt in Wolfenbüttel und damit auf ein Leitungsamt, verzichtet. Zwei Wochen habe Eggers nun Zeit, seinen Verzicht zu erklären, erklärt Bistumssprecher Bauerfeld gegenüber Kirche+Leben. 

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