Wenn die Schwiegermutter mit dem Boykott der Messe droht

50 Jahre Kommunionhelfer – Viel Widerstand gegen ein Ehrenamt

Vor 50 Jahren wagten die Deutschen Bischöfe ein Experiment: Sie ließen sie Laien als Kommunionhelfer zu. Heute sind sie fester Bestandteil des Gemeindelebens – doch damals sorgte der Vorstoß gar für Streit in manchen Familien.

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Für viele Gläubige ist es heutzutage ein gewohnter Anblick, dass Kommunionhelfer den Priester in der Messe unterstützen oder den Kranken aus ihrer Pfarrei die Kommunion nach Hause bringen. In manchen kleineren Pfarreien werden Kommunionhelfer zwar nur zu „Spitzenzeiten“, etwa beim Oster- oder Weihnachtsgottesdienst, benötigt. „In den meisten aber Gemeinden sind sie an jedem Sonntag im Einsatz“, erklärt Pfarrer Marius Linnenborn, Leiter des Deutschen Liturgischen Institut (DLI) in Trier. Doch vor einem halben Jahrhundert waren Kommunionhelfer noch ein Experiment.

Vor 50 Jahren, am 12. März 1968, teilte die Deutsche Bischofskonferenz mit, dass zunächst für drei Jahre die „Spendung der heiligen Kommunion durch Laien“ genehmigt wurde. Gesucht wurden für diesen Dienst „geeignete männliche Personen“ – und zwar für den Fall, dass „sich sonst eine zu lange Dauer bei der Austeilung der heiligen Kommunion nicht vermeiden lässt“.

 

Laien äußerten große Bedenken

 

Die Helfer sollten auch beauftragt werden, die Kommunion „außerhalb der heiligen Messe auszuteilen und den Kranken zu bringen, wenn ein Priester oder Diakon voraussichtlich einige Tage nicht anwesend ist“. Es war zwar zunächst nur ein vorsichtiger Vorstoß der Bischöfe. Dennoch gab es Proteste – und zwar nicht von der Geistlichkeit: „Die geweihten Amtsträger fürchteten nicht um ihre Stellung in der Liturgie, sondern nahmen die ihnen gebotene Hilfe dankbar an“, schreibt Christoph Neuert vom DLI in einem 2017 erschienenen Beitrag in der Zeitschrift „Gottesdienst“.

Kommunionausteilen ohne die Hilfe von Laien bei Großveranstaltungen wie dem Katholikentag in Leipzig - undenkbar. | Foto: Michael Bönte
Kommunionausteilen ohne die Hilfe von Laien bei Großveranstaltungen wie dem Katholikentag in Leipzig – undenkbar. | Foto: Michael Bönte

„Vielmehr hatten die Laien selbst sehr große Bedenken, in diesen den Geistlichen vorbehaltenen Bereich vorzudringen“, so Neuert. Wie groß die Sorgen mancher Gläubigen waren, zeigt sich an den Leserbriefen, die die Fachzeitschrift „Gottesdienst“ 1968 und 1969 erreichten. Ein Priester berichtete von Gesprächen mit Mitgliedern seiner Gemeinde, denen es schier unvorstellbar erschien, dass etwa verheiratete Leute die Kommunion spenden sollten.

 

Pfarrer: Kommunionhelfer müssen Heilige sein

 

Ein Familienvater, der Kommunionhelfer werden sollte, wurde vom ältesten Sohn in seinem Vorhaben bestärkt, vom jüngsten Sohn jedoch ungläubig gefragt: „Papa, du?“ Seine Schwiegermutter drohte, gleich ganz der Messe fernzubleiben. Ein Geistlicher schrieb: „Wenn einer vom Dorf Kommunion austeilen wollte, das müsste ein Heiliger sein.“ Sonst würde die Gemeinde Verfehlungen des Kommunionhelfers, gar seiner Eltern und Großeltern ausgraben, mutmaßte der Priester. „Dann würde man sagen: und so einer teilt Kommunion aus.“

Doch trotz solcher Bedenken etablierte sich der Dienst. Zumal ein Jahr später, im April 1969, die Vatikanische Gottesdienstkongregation für die Weltkirche entsprechende Regeln erließ. Seitdem konnten auch Frauen für den Kommunionhelferdienst zugelassen werden – wenn auch zunächst nur, „wenn keine andere geeignete Person gefunden werden kann“. Diese Einschränkung entfiel 1973, als der Vatikan nur noch von geeigneten Personen sprach und nicht mehr zwischen Frauen und Männern differenzierte. Seitdem können die Helfer auch für die Spendung der Krankenkommunion zugelassen werden und etwa in Wort-Gottes-Feiern die Kommunion spenden.

 

Wie geht es weiter?

 

Krankenkommunion in einem Pflegeheim in Bocholt. | Foto: Michael Bönte
Krankenkommunion in einem Pflegeheim in Bocholt. | Foto: Michael Bönte

Zur Vorbereitung werden meist auf Ebene der Bistümer Schulungen angeboten. „Dabei werden theologische Kenntnisse über die Eucharistie vermittelt, aber auch praktische Fragen besprochen. Wie geht man etwa damit um, wenn einmal aus Versehen eine Hostie auf den Boden fällt?“, erläutert Linnenborn.

Nach einem halben Jahrhundert zieht der Theologe ein positives Fazit: „Kommunionhelfer sind aus unseren Pfarrgemeinden gar nicht mehr wegzudenken, es ist ein selbstverständlich gewordener Dienst.“ Er erinnert daran, dass die Bischöfe der ehemaligen DDR bereits 1965 die Vollmacht erhielten, in Diasporaregionen Kommunionhelfer für die Krankenkommunion einzusetzen. Hier sieht er Potenzial: „Der Bereich der Krankenkommunion, der ursprünglich vor allem eine Aufgabe der Priester und Diakone war, ist angesichts immer größerer Pfarreinheiten sicher ein Feld, in dem Kommunionhelfer noch stärker zum Einsatz kommen könnten.“