Zum 175. Todestag der Droste

Adelig und aufmüpfig: Annette von Droste-Hülshoff starb 1848

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Sie gilt als eine der bedeutendsten deutschen Dichterinnen des 19. Jahrhunderts. Ihre Novelle „Die Judenbuche“ ist Schulstoff, „Der Knabe im Moor“ und „Am Turme“ fehlen in kaum einer Gedichte-Sammlung. Am 24. Mai 1848, vor 175 Jahren, ist Annette von Droste-Hülshoff im Alter von nur 51 Jahren auf der Meersburg am Bodensee gestorben.

Die Lebenszeit der Droste fiel in eine Epoche starker Umbrüche. Napoleons Kriege, Industrielle Revolution und demokratische Revolution: Als die Autorin starb, war von der scheinbar stabilen Welt ihres westfälischen Adels nicht mehr viel übrig.

Wie Annette zur Außenseiterin wurde

Geboren wurde die „Stockwestfälin“, wie sie sich selber nannte, am 10. Januar 1797 auf dem Wasserschloss Hülshoff, rund 15 Kilometer von Münster entfernt. Das Siebenmonatskind war kaum lebensfähig. Annette blieb ihr ganzes Leben kränklich, war stark sehbehindert. Aber sie war eine Kämpfernatur. Früh zeigte sich ihre große Begabung: Sie war hoch musikalisch, mit fünf Jahren formulierte sie druckreife Gedichte.

Annette hat die konservativen Wertmaßstäbe schon in jungen Jahren verinnerlicht. Sie versuchte, den weiblichen Tugenden der Biedermeierzeit – Bescheidenheit, Gehorsam, Demut – zu entsprechen. Zugleich wollte die Dichterin aus Strukturen ausbrechen. Sie wehrte sich gegen mütterliche Bevormundung, interessierte sich für Naturwissenschaften, reiste durch Deutschland und machte sich damit innerhalb ihrer Familie zum Außenseiter.

„Nach hundert Jahren möcht ich gelesen werden.“

Die 2012 renovierte Burg Hülshoff war Geburts- und Elternhaus der Dichterin. | Foto: Peter Schickert (imago)
Die 2012 renovierte Burg Hülshoff war Geburts- und Elternhaus der Dichterin. | Foto: Peter Schickert (imago)

Das dichterische Werk der Droste, von dem der Gedichtszyklus „Das geistliche Jahr“ als das wichtigste Stück der religiösen Dichtung des 19. Jahrhunderts gilt, war zu ihren Lebzeiten nur Wenigen bekannt. Erst 1842 wurde „Die Judenbuche“ veröffentlicht, die ihrem Werk den Durchbruch brachte. Die Novelle ist, wie die meisten ihrer Geschichten, in Westfalen angesiedelt.

Der Droste kam es nicht auf kurzfristigen Erfolg, sondern auf langfristige Wirkung an. „Ich mag und will jetzt nicht berühmt werden, aber nach hundert Jahren möcht ich gelesen werden“, vertraute sie einer Freundin an. Ihren Ruhm hat die Autorin auch dem Umstand zu verdanken, dass man sie im „Kulturkampf“ der 1870er-Jahre zu einer Galionsfigur des katholischen Deutschlands stilisierte.

Burg Hülshoff erinnert an Dichterin

Zuletzt feiert die Droste erneut eine Renaissance. Viel dazu beigetragen hat der 2018 erschienene Roman „Fräulein Nettes Kurzer Sommer“ von Karen Duve, der sie als junge Dichterin zeigt, die sich der erwarteten Frauenrolle nicht fügt; die von ihren adeligen Verwandten und Dichterfreunden um Wilhelm Grimm als störrisch und vorlaut empfunden wird.

Auch die Stadt Münster hat das Droste-Erbe fest im Blick: Die 2012 gegründete Annette-von-Droste-zu-Hülshoff-Stiftung kümmert sich um den Erhalt von Burg Hülshoff mit dem Museum. 2012 wurde die Burg für rund 2,5 Millionen Euro saniert. Zum Ensemble gehört auch das nur wenige Kilometer entfernte Rüschhaus, in das Annette nach dem Tod des Vaters übersiedelte und das sie ihr „Schneckenhäuschen“ nannte.

Einblick in Schreibprozess

Handschriftliche Aufzeichung der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff. | Foto: agefotostock (imago)
Handschriftliche Aufzeichnung der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff. | Foto: agefotostock (imago)

Ein Center for Literature bietet Kulturprogramme mit Lesungen, Ausstellungen, Filmen und literarischen Exkursionen im Münsterland. Es hat auch die Sonderausstellung „Droste digital. Handschriften – Räume – Installationen“ organisiert, die anhand digitalisierter Originalhandschriften Einblick in den Schreibprozess der Autorin gibt.

Ein rund sieben Kilometer langer Lyrikweg verbindet die Lebensorte der Dichterin. Eine App zum Lyrikweg erweitert mit Hörstücken die Droste-Landschaft. Ein Hauptprojekt des Westfälischen Literaturarchivs ist seit 2018 die Digitalisierung des Meersburger Nachlasses.

Dichterin mit Glaubenszweifeln

Für die Germanistin Anke Kramer, wissenschaftliche Leiterin der Droste-Forschungsstelle bei der Literaturkommission des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, hat die Dichterin auch aktuell viel zu sagen. Sie habe die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse ihrer Zeit in ihren Werken verarbeitet und sich mit ökologischen Fragen auseinandergesetzt. Auch habe sie tiefe Glaubenszweifel gehabt. „Sie geriet in schwere Krisen und stand dabei unter genauer Beobachtung durch ihre strenggläubige Verwandtschaft“, so Kramer.

Auf die Frage, ob die Dichterin Feministin war, antwortete die Wissenschaftlerin: „Wenn man Feminismus als Kritik an der strukturellen Benachteiligung von Frauen versteht, dann war Droste ganz klar Feministin.“ Sie habe aber alte Traditionen nicht einfach ausgekippt.

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