Reportage aus Bethlehem

Asers Diagnose: Asthma - ein Fall für das Caritas-Baby-Hospital

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Der palästinensische Junge Aser aus Bethlehem leidet an schwerstem Asthma. Er kommt in das örtliche Caritas-Baby-Hospital, wo er aus akuter Lebensgefahr gerettet wird. Was das Caritas-Hospital für kranke Kinder wie Aser leisten kann, erzählt die folgende Reportage.

Asers eben noch fröhliches Gesicht verändert sich abrupt. Er schaut ängstlich. Menschen in Arztkitteln sind dem Zweijährigen auf den ersten Blick immer suspekt. Der Grund: die Sorge, ein weiteres Mal gepiesackt zu werden. Wie soll man in seinem Alter auch verstehen, dass die alle vier Wochen verabreichte Spritze für ihn lebensnotwendig ist?

Der chronisch asthmakranke Aser gehört zu den Langzeitpatienten des einzigen Kinderkrankenhauses im Westjordanland. Es ist für alle eine Freude, wenn er gut gelaunt vor sich hin brabbelt. Aser hat ein gewinnendes Lachen, das für so einen kleinen Jungen erstaunlich rau klingt. Womöglich eine Folge der langen Zeit, in der er auf der Intensivstation künstlich beatmet werden musste. Aber in den Behandlungsraum mag er nun ganz und gar nicht. Da hilft auch die kindgerechte Gestaltung des Raumes nichts. Aser sträubt sich nach Leibeskräften. Selbst von den lustigen Puppenvideos auf dem Handy seiner Mutter lässt sich Aser kaum ablenken.

Extrem schwerer Fall von Asthma

Manchmal bleibt ihm die Spritze erspart, etwa weil der Magen gerade schmerzt. Dann wird die Kortison-Injektion um ein paar Tage verschoben. Aber sie muss sein. In all seinen Jahren als Pneumologe habe er noch nie einen solch schweren Fall von Asthma erlebt, sagt Ra’fat Allawi, Asers behandelnder Arzt.

Die für gewöhnlich angewendeten Inhalationen zur Abschwellung der Atemwege reichen bei Aser nicht aus. Die Kortison-Dosis, die der Junge regelmäßig erhält, ist zehnfach höher als regulär. „Das Problem mit Asthma ist“, so der Arzt, „dass der Körper alles als fremd erkennt, Gras, Smog, selbst einen Mückenstich, und darauf allergisch reagiert.“ In Asers Fall extrem heftig.

Als Einjähriger auf die Intensivstation in Bethlehem

Besonders aggressive Erreger wie das Adeno-Virus, das sich der Junge im ersten Lebensjahr eingefangen hatte, waren vermutlich die Auslöser. Reaktive Atemwegserkrankung, kurz RAD, lautete die Diagnose, als Aser erstmals mit sechs Monaten in das Hospital eingeliefert wurde. Das Atmen fiel ihm schwer, er keuchte und litt an Engegefühl in der Brust. Genau an seinem ersten Geburtstag wurde es richtig schlimm. Asers Mutter fiel auf, dass sich ihr Sohn kaum noch bewegte und brachte ihn ins Kinderkrankenhaus. Doch seine Sauerstoffwerte sanken, sein Zustand verschlechterte sich dramatisch. Aser musste umgehend auf die Intensivstation verlegt und intubiert werden.

„Die Entscheidung, ihn maschinell zu beatmen, war nicht leicht. Für ein Kleinkind ist dies ein massiver Eingriff“, erinnert sich sein Arzt. „Aber wir mussten es tun, sonst wäre er gestorben.“

Baby-Hospital gut ausgestattet

Es war für Aser, seine Eltern und die Ärzte ein tagelanger Kampf um Leben und Tod. Erst nach zwei Wochen trat eine Besserung ein. „Es schien wie ein Wunder“, berichtet Ra’fat Allawi, derzeit der einzige pädiatrische Pneumologe in Palästina. Ein Wunder, das freilich nicht vom Himmel fiel.

Chefärztin Hiyam Marzouqa nennt es „eine Erfolgsgeschichte für uns alle“. Dass Aser gerettet wurde, hat viel mit der guten Ausstattung des Hospitals zu tun. Im Westjordanland gibt es nur wenige Intensivbetten für Kinder, das Baby-Hospital hat neun. Die Intensivstation ist beinahe ständig belegt, da immer wieder junge Patienten oder auch Frühgeburten hierher überwiesen werden.

Bestmögliche Behandlung – dank vieler Spenden

Fünf Fachärztinnen und Fachärzte sowie 13 Assistenzärzte arbeiten im Kinderkrankenhaus, dazu kommen einmal pro Woche konsiliarische Fachärztinnen und -ärzte. Wenn nötig, werden Blutproben zur genetischen Untersuchung ins Medizinzentrum Tel HaShomer bei Tel Aviv oder nach Tübingen geschickt. „Unsere Stärke ist unsere Vernetzung“, erläutert die Chefärztin. „Wir wollen, dass auch palästinensische Kinder eine bestmögliche Behandlung bekommen“, betont sie. Ohne Spenden, die zu fast zwei Dritteln das Caritas-Baby-Hospital finanzieren, wäre das nicht machbar.

Selbstzahler wie Rawan und Osama Khalifeh, Asers Eltern, die eine private Krankenversicherung besitzen, sind die große Ausnahme. Asers Mutter arbeitet bei der Bank of Palestine, sein Vater als Tierarzt in Hebron. Er hat schon viele Stunden im Internet recherchiert, um das Krankheitsbild RAD besser zu verstehen.

Hoffnung für die Zukunft von Aser

Sogar nach Jordanien ist er gefahren und hat einen Spezialisten in Australien, wo seine Schwester lebt, telefonisch konsultiert. „Wir wollten eine zweite Meinung“, sagt Asers Vater. Was er dabei erfuhr, hat ihn bestärkt, sein volles Vertrauen in den behandelnden Arzt Ra’fat Allawi im Hospital zu setzen, der sich nach seinem Medizinstudium an palästinensischen und israelischen Universitätskliniken auf Lungenkrankheiten spezialisiert hat.

Aser hüpft nach seiner Behandlung bereits wieder durch den bunten Flur des Krankenhauses, während die Erwachsenen noch diskutieren. Vor allem die hohe Kortison-Dosis macht dem Vater Sorgen. Im neuen Jahr, spätestens im nächsten Sommer, könne man hoffentlich beginnen, sie zu senken, macht Dr. Ra’fat den Eltern Hoffnung.

Geschwister haben es nicht immer leicht

In der Kinderkrippe, erzählt Mutter Rawan, wollte man so ein Problemkind erst gar nicht aufnehmen. Inzwischen besucht Aser die Kinderkrippe gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Adam, einem gesunden, aufgeweckten Jungen. All die Extraportionen an Aufmerksamkeit und Zuwendung, die sein Zwillingsbruder bekommt, sind für Adam nicht immer leicht zu verstehen. Asers Krankheit dominiert die gesamte familiäre Morgen- und Abendroutine.

Manchmal ist das selbst der älteren Schwester, die sich oft um die Zwillingsbrüder kümmert, zu viel. Neben den Medikamenten braucht Aser mindestens zweimal pro Tag das Asthma-Spray und viermal die Sauerstoffmaske. Aser lebt deshalb unter ständiger Aufsicht. Selbst in der Nacht kontrollieren die Eltern den Sauerstoffgehalt in seinem Blut.

Asers Mutter wuchs im Flüchtlingslager auf

Beim Hausbesuch der Sozialarbeiterin Hazar Barham am Nachmittag liegt Aser unter der Sauerstoffmaske auf der Couch. Die Khalifehs, die aus palästinensischen Flüchtlingsfamilien stammen, wohnen in Doha, einem Neubauviertel in Bethlehem mit modernen sechs- bis achtstöckigen Häusern. Gegenüber befindet sich das Flüchtlingslager Deheishe, wo auch Asers Mutter Rawan aufgewachsen ist. Das neue Apartment der Familie hat Aufzug und Klimaanlage, was den Alltag mit einem asthmakranken Kind erleichtert.

Mit einem Auge auf die Zwillinge, die mit ihren Spielklötzchen beschäftigt sind, erzählt Rawan von ihren Ängsten, die vor allem während der 17 Tage, als Aser auf der Intensivstation lag, sehr präsent waren. In dieser Zeit war Rawan direkt nebenan in der Mütterabteilung untergebracht, in der Mütter von Kindern übernachten können, die in dem Hospital behandelt werden.

Ein normales Leben in Aussicht

„Für mich das Beste überhaupt“, erzählt sie. „Ich musste nur die Tür öffnen und war bei meinem Sohn.“ Die emotionale Unterstützung durch die Sozialarbeiterin Hazar half ihr zusätzlich, die kritische Zeit durchzustehen. Aser ist besonders anfällig für Infekte und musste mehrfach im Hospital behandelt werden. Seiner Mutter Rawan ist allzu bewusst, „dass jeden Moment etwas passieren kann. Aber es ist ein beruhigendes Gefühl, zu wissen, in kurzer Zeit in guten Händen zu sein.“

Nicht zuletzt gibt ihr die Prognose von Ra’fat Anlass zur Hoffnung. „Leicht wird es nicht“, glaubt er. Inhalationsmittel werde Aser auch als Erwachsener brauchen. „Aber er wird ein normales Leben führen können.“

Der Trägerverein Kinderhilfe Bethlehem finanziert und betreibt das Caritas-Baby-Hospital im Westjordanland. Zehntausende Kinder und Babys werden dort jährlich stationär oder ambulant behandelt. Infolge der aktuellen kriegerischen Situation ist der uneingeschränkte Zugang zum Kinderkrankenhaus zurzeit für die kleinen Patientinnen und Patienten sowie für die Mitarbeitenden nicht mehr gewährt. Der Bedarf an pädiatrischer Versorgung bleibt weiterhin hoch. Das Krankenhaus hat Maßnahmen ergriffen, um die medizinische Betreuung von Kindern zu garantieren. So wurde eine 24-Stunden-Hotline für telefonische Beratung eröffnet. Zu Patienten mit chronischen Erkrankungen wurde Kontakt aufgenommen, um sicherzustellen, dass sie die nötigen Medikamente erhalten. Mehr Informationen unter kinderhilfe-bethlehem.de (pd) 

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