Franziskus gibt erstmals deutscher Zeitung ein Interview

Auch der Papst kennt tiefen Zweifel an Gott

Kommt Papst Franziskus nach Deutschland? Was denkt er über seine Gegner? Wie geht er mit Kritik um? Wie mit Glaubenskrisen? All das beantwortet er im ersten Interview, das er einer deutschen Zeitung gegeben hat.

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Erstmals hat Papst Franziskus einer deutschen Zeitung ein Interview gegeben und dabei auch Glaubenskrisen eingeräumt. Jegliche Form von Papstkult lehnte er ab. Zugleich betonte Franziskus, er habe trotz Kritik seinen inneren Frieden nicht verloren. Er bete jeden Tag um Humor.

Der Chefredakteur der „Zeit“, Giovanni di Lorenzo, traf das Kirchenoberhaupt im Gästehaus Santa Marta im Vatikan. Das auf Italienisch geführte Gespräch wurde laut Wochenzeitung vom Papst selbst autorisiert. Er habe weniger am Wortlaut verändert als die meisten Politiker, die der „Zeit“ ein Interview geben, so die Redaktion.

 

Sorge über Populismus

 

Erwartungen, er werde zum 500-Jahr-Gedenken der Reformation doch noch nach Deutschland reisen, enttäuschte der Papst. „Der Terminkalender ist dieses Jahr sehr voll“, sagte er: „Es sind so viele Reisen geplant.“ Auch für 2018 kenne er noch keine Pläne für eine Deutschlandreise.

Zur Situation in Europa sagte das Kirchenoberhaupt, der derzeitige Populismus bereite ihm „ein wenig“ Sorgen. Populisten benutzten das Volk. „Populismus braucht immer einen Messias“, sagte Franziskus. Er stellte zugleich klar, dass er die aktuelle Lage nicht mit dem Jahr der Machtergreifung Hitlers 1933 habe vergleichen wollen.

 

Gegen freiwilligen Zölibat

 

Inhaltlich hält der Papst eine Diskussion über die Weihe von in der Ehe bewährten Männern („viri probati“) für sinnvoll. Zugleich wandte sich Franziskus gegen den Vorschlag, die Ehelosigkeit der Priester einer freien Entscheidung der Kandidaten zu überlassen: „Der freiwillige Zölibat ist keine Lösung.“ Konkret sagte Franziskus: „Wir müssen darüber nachdenken, ob viri probati eine Möglichkeit sind. Dann müssen wir auch bestimmen, welche Aufgaben sie übernehmen können, zum Beispiel in weit entlegenen Gemeinden.“

Mit Blick auf ein mögliches Diakonat der Frau sagte der Papst, dass es ihm mit der Einrichtung eine entsprechenden Kommission darum gegangen sei, „das Thema zu erforschen, und nicht, eine Tür zu öffnen“.

 

Dunkle Momente und Gebet um Humor

 

Franziskus räumte ein, auch er kenne Glaubenskrisen und Momente des Zweifels. „Ein Glaube, der nicht in die Krise gerät, um an ihr zu wachsen, bleibt infantil“, erläuterte er. Auf die Frage, ob er auch Momente kenne, in denen er grundlegend an Gott und Jesus zweifele, sagte Papst Franziskus: „Ja, ja... Momente der Leere... Ich habe von dunklen Momenten gesprochen und von leeren Momenten. Ich kenne auch die leeren Momente.“

Der Papst betonte, er halte nichts davon, als Vorbild hingestellt zu werden. „Ich bin ein ganz normaler Mensch, der tut, was er kann“, sagte er: „Ich bin Sünder und bin fehlbar, und wir dürfen nicht vergessen, dass die Idealisierung eines Menschen stets auch eine unterschwellige Art der Aggression ist“, fügte er hinzu: „Man gesteht mir nicht zu, ein fehlbarer Sünder zu sein.“

Franziskus berichtete, er bete täglich um inneren Frieden und Humor. Auf die Frage, ob er sich von Angriffen aus dem Vatikan getroffen fühle, sagte er, er habe seinen Frieden seit der Papstwahl nicht verloren. „Ich kann verstehen, wenn meine Art, die Dinge anzugehen, manchen nicht gefällt“, so Franziskus. „Das ist legitim und menschlich und bereichernd.“