Münchner Kardinal über Glaubenszweifel und die Kirche als „Lockvogel“

Marx: Nur weil ich Kardinal bin, soll ich nicht zweifeln?

Kardinal Reinhard Marx (66) zweifelt manchmal an Gott. „Ich bin auch nicht immer stark im Glauben“, sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz dem Magazin „Stern“. „Nur weil ich Kardinal bin, soll ich nicht zweifeln?“

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Kardinal Reinhard Marx (66) zweifelt manchmal an Gott. „Ich bin auch nicht immer stark im Glauben“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz dem Magazin „Stern“. „Nur weil ich Kardinal bin, soll ich nicht zweifeln?“ Je älter er werde, desto mehr spüre er, dass es Glauben ohne Zweifel nicht geben könne.

Auf die Frage, wo Gott in Auschwitz oder beim Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz gewesen sei, antwortete Marx: „Wir dürfen uns Gott nicht als Reparaturbetrieb der Welt vorstellen.“ Wünsche, dass Gott einen Autounfall verhindere oder für das Bestehen des Abiturs sorge, seien zwar menschlich. „Aber wir müssen tiefer eindringen in das Geheimnis der Beziehung zwischen Gott und Mensch.“

 

„Wer ein Kind missbraucht, missbraucht auch Gott“

 

Laut Marx dürfen die Menschen ihr Machbarkeitsdenken nicht auf Gott übertragen nach dem Motto: „Wenn ich Gott wäre, dann hätte ich das anders gemacht.“ Menschen müssten akzeptieren, dass Gott anders sei.

Als Christ glaube er, dass Gott bei den Leidenden sei. Es gebe kein Leben ohne Leid. Gott solidarisiere sich mit den Opfern der Geschichte. „Wer ein Kind missbraucht, missbraucht auch Gott“, sagte der Münchner Erzbischof. Am Ende schaffe Gott Gerechtigkeit.

 

Wege zu Gott ohne die Kirche

 

Marx zeigte sich überzeugt, dass es auch ohne Kirche Wege zu Gott gibt. „Es gibt ja viele Menschen außerhalb der Kirche, die können ja nicht alle verloren gehen“. Die Kirche sei „eine Art Lockvogel“, der in der Welt herumfliegt und ruft: „Es gibt jemanden, der könnte euch interessieren – Jesus von Nazareth!“ Die Kirche solle das Oberlicht über den Köpfen aufreißen und den Blick zum Himmel frei machen.

Der Kardinal räumte ein, er sehe nach dem Missbrauchsskandal kritischer auf die Geschichte der Kirche und „auf die Diskrepanz von Schein und Sein“. Das schwere Unrecht von Geistlichen werde die Kirche verändern, aber nicht zerstören, „weil sie kein menschlicher Verein ist“.

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