Pater Daniel Hörnemann OSB: Ein Grund mehr zum Kirchenaustritt?

Auslegung der Lesungen vom 21. Sonntag im Jahreskreis / Lesejahr B

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"Einer ordne sich dem anderen unter. Ihr Frauen euren Männern wie dem Herrn": Starker Tobak in der zweiten Lesung dieses Sonntags. Das klingt mächtig nach Diskriminierung der Frau in der Kirche - für viele ein Grund zum Kirchenaustritt. Was Pater Daniel Hörnemann über diese Sätze und die anderen der Lesungen dieses Sonntags denkt, schreibt er in seiner Schriftauslegung.

Die Kirche ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Auslauf-Modell. Mancherorts kommen die Amtsgerichte gar nicht gegen den Strom derer an, die mit einem Austrittsbegehren an sie herantreten. Die einen gehen, weil ihnen während der Corona-Pandemie angesichts verschlossener Kirchen gar nichts gefehlt hat, die anderen sehen sich herausgedrängt, weil sie immer neu durch Enthüllungen im Zusammenhang mit Missbrauch entsetzt sind, weil ihnen durch eine Entscheidung von „oben“ „ihr“ Pfarrer genommen wurde, weil sie in dieser Kirche nicht die Zulassung zu Weiheämtern erhalten dürfen, weil ihnen und ihrer Beziehung der Segen verweigert wird, weil Reformen nur äußerst mühsam, wenn überhaupt, vorangetrieben werden.

Früher konnte man vielleicht mit Stolz und Überzeugung sagen: „Ich bin katholisch. Ich bin aktives Kirchenmitglied.“ Heute mag es eher ein Grund sein, sich verschämt zurückzuhalten und am liebsten gar keine Stellung in dieser Richtung zu beziehen. Was hält mich denn noch in dieser menschlich, allzu menschlichen, bisweilen unmenschlichen Institution? Ich gehöre wohl nicht deshalb dazu, weil ich mit allem einverstanden bin oder keine eigene Meinung habe.

 

Einfach zum Davonlaufen

 

Die Lesungen vom 21. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B) zum Hören finden Sie hier.

Der Paulusbrief an die Gemeinde in Ephesus tut an diesem Sonntag vordergründig betrachtet das Seine dazu mit der Aussage „Die Frauen sollen sich in allem den Männern unterordnen“. Der folgende Satz wird im Aufbegehren meist schon überhört „Die Männer sind verpflichtet, ihre Frauen so zu lieben wie ihren eigenen Leib.“ Es gibt so vieles, was schlicht und einfach zum Davonlaufen wäre. Doch in welche Richtung? Welche Weltanschauung gäbe mir Halt und Horizont? Was sollte an die Stelle dieser Kirche treten, die sich nie zu dem erträumten Idealmodell der Menschheit entwickeln wird?

Seltsamerweise stellte bereits der Initiator dieser Kirche seinen Gefolgsleuten die entscheidende Frage: „Wollt auch ihr gehen?“ Jesu Reaktion ist bemerkenswert, er verurteilt die nicht, die gegangen sind, er missbilligt ihren Fortgang nicht, schaut ihnen allenfalls traurig hinterher. In der Tat: Viele seiner Jünger fanden seine Reden unerträglich und anstößig und gingen nicht mehr mit ihm umher.

 

Mehr als einzelne Schritte

 

Da steht sie wieder, die herausfordernde Frage des Josua: „Entscheidet euch heute, wem ihr dienen wollt.“ Israel war in Kanaan den Götzen begegnet, die Wohlstand und Glück verhießen. Josua stellte seine Leute vor die Entscheidung, ob sie weiterhin dem Gott ihrer Rettung und Befreiung folgen wollen oder nicht. Damals kam die Antwort unisono: „Das sei uns fern, dass wir den Herrn verlassen und anderen Göttern dienen. … Wir wollen dem Herrn dienen; denn er ist unser Gott.“

Wie lange eine solche einmütige Bekundung gehalten hat, das zeigt die Geschichte Israels drastisch. Nach immer wieder erneuerten Bundesversprechungen kamen allzu rasch der Bruch und die Trennung. Die Erinnerung daran, dass der Herr sie auf dem ganzen Weg beschützt hat, den sie gegangen sind, verblasste immer wieder.

 

„Wollt auch ihr weggehen?“

 

Der Autor
Pater Daniel Hörnemann.
Pater Daniel Hörnemann OSB ist Mönch der Benediktinerabtei Gerleve bei Billerbeck und Theologischer Berater von "Kirche+Leben". | Foto: Markus Nolte

Die Zwölf im Kreis um Jesus sind die Repräsentanten Israels, diese Apostel hat er berufen und fragt sie nun: „Wollt auch ihr weggehen?“ Wenn sie gehen wollen, wird er sie nicht aufhalten. Wenn sie bei ihm bleiben wollen, ist das ihre Entscheidung. Er wird sie nicht zu irgendetwas zwingen.

Hier bringt Jesus auf den Punkt, was Glauben bedeutet: Er ist weder eine Pflicht noch ein Zwang, sondern eine freie Entscheidung. Der Mensch entscheidet sich für den Glauben, oder er entscheidet sich nicht dafür, das heißt dagegen. Mit einer momentanen Entscheidung ist es dabei nicht getan, der Weg bedeutet mehr als ein einzelner Schritt.

 

Wo ich stehe, Gottes Botschaft verwirklichen

 

Wir müssen tagtäglich neu Entscheidungen treffen, wählen, was und wen wir wollen. Das heute Gewählte mag morgen schon veraltet sein. Halte ich die Kirche als menschliches Konstrukt für überflüssig oder nur noch abstoßend, oder möchte ich mich vom Glauben, also vom Kontakt mit ihrem Gott verabschieden? Oder versuche ich an dem Ort, an dem ich stehe, das von der Gottesbotschaft zu verwirklichen, was mir möglich ist?

Petrus stellte seine Frage „Herr, zu wem sollen wir gehen?“ nicht antwortlos in den luftleeren Raum, sondern bekräftigte sie sofort mit seiner Zu- und Aussage „Du allein hast Worte des ewigen Lebens!“ Da eröffnet sich ein weiter Horizont aus aller menschlichen Engführung heraus zu dem, was bleibt.

Sämtliche Texte der Lesungen vom 21. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B) finden Sie hier.

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