Vizepräsident des Deutschen Caritasverbands, Heinz-Josef Kessmann, regt an

Caritas: Flüchtlinge sollen auch in Gemeinderäten mitwirken

Flüchtlinge sollen mitwirken, wenn über sie entschieden wird: „Warum soll nicht ein Abgesandter aus einer Flüchtlingsunterkunft an den Sitzungen von Bezirksversammlungen oder Gemeinderäten teilnehmen?“, fragt der Vizepräsident der deutschen Caritas, Heinz-Josef Kessmann aus Münster.

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Um die Integration zu erleichtern, regt die Caritas an, Flüchtlinge an Entscheidungen zu beteiligen, die sie betreffen. „Warum soll nicht ein Abgesandter aus einer Flüchtlingsunterkunft an den Sitzungen von Bezirksversammlungen oder Gemeinderäten teilnehmen?“, fragt Heinz-Josef Kessmann. Er ist Vizepräsident des Deutschen Caritasverbands und Diözesancaritasdirektor im Bistum Münster.

„Kirche+Leben“: Herr Kessmann, Sie wollen Möglichkeiten schaffen, damit Asylsuchende und Flüchtlinge bei Themen mitreden können, die sie betreffen. Warum finden Sie das wichtig?

Heinz-Josef Kessmann: Es würde helfen, diesen Menschen ein Gefühl von Heimat zu geben. Die Jahreskampagne 2017 der deutschen Caritas hat das Leitwort „Zusammen sind wir Heimat“. Wir verstehen Heimat nicht als etwas Deutschtümelndes, das alles Fremde ausschließt. Damit sich Menschen heimisch fühlen, genügt es nicht, dass sie gute Freunde und Nachbarn haben – oder engagierte Helfer wie im Fall der Flüchtlinge. Menschen fühlen sich dann angenommen, wenn sie mitreden und mitgestalten können. Diese Teilhabe sollte auch in Gesetzen und Verordnungen verankert werden.

Viele Asylsuchende wissen aber gar nicht, ob und wie lange sie in Deutschland bleiben können. Manche Flüchtlinge möchten zudem in ihr Heimatland zurückkehren, wenn der Krieg dort zu Ende ist. Wie wollen Sie solche Menschen beteiligen?

Heinz-Josef Kessmann.
Heinz-Josef Kessmann. | Foto: Jens Joest

Asylsuchende und Flüchtlinge sind durchaus mehrere Wochen lang in ihren Unterkünften. Ich kann mir in größeren Einrichtungen Beiräte vorstellen, wo die Bewohner einen oder mehrere Sprecher bestimmen. Oder: Warum soll nicht ein Abgesandter aus einer Flüchtlingsunterkunft an den Sitzungen von Ausschüssen, Bezirksversammlungen oder Gemeinderäten teilnehmen, damit diese Gremien von den Anliegen der Menschen in den Unterkünften erfahren? Auch Politiker und Behördenvertreter könnten Sprechstunden in den Einrichtungen abhalten.

In vielen Kommunen gibt es Ausländer- und Integrationsbeiräte. Könnten diese Gremien nicht die Interessen vertreten?

Flüchtlinge und Asylsuchende brauchen eine flexible Form der Mitsprache. Die Integrationsbeiräte vertreten oft eher die Anliegen von Menschen, die schon lange in Deutschland leben und deren Aufenthaltsstatus geklärt ist. Das ist bei Flüchtlingen und Asylsuchenden nicht der Fall, ihre Probleme sind andere.

Selbst für einen gewählten Vertreter müsste das Asylverfahren aber weiterlaufen wie jedes andere…

Richtig. Natürlich kann es nicht bedeuten, dass jemand mit seiner Anerkennung als Asylsuchender rechnen kann, weil er Beirat in seiner Unterkunft ist. Das darf das Ergebnis des Asylverfahrens nicht vorwegnehmen. Dennoch: Eine gewisse Form des Schutzes werden wir brauchen. Denn niemand macht den Mund auf, wenn er befürchten muss, dass Kritik seine Chancen im Asylverfahren verschlechtert. Auch muss darauf geachtet werden, dass keine Ressentiments zwischen den unterschiedlichen Gruppen entstehen.

Die Caritas betreibt viele Flüchtlingsunterkünfte, auch im Bistum Münster. Gibt es in einer dieser Einrichtungen bereits einen Bewohner-Beirat?

In dieser Form noch nicht. Allerdings gibt es bereits Erfahrungen mit verschiedenen Formen der Beteiligung und des Beschwerdemanagements. Diesen Ansatz gilt es weiter zu verfolgen.