Mentoren kümmern sich um junge Geflüchtete

Caritas-Projekt in Kleve integriert Flüchtlinge in Tandems

Karin Pade hilft Abdul Shaheeq, einem Flüchtling aus Afghanistan, seine Schwierigkeiten im Fach Wirtschaft auf der Berufsschule zu überwinden. Die 22-jährige Studentin ist Mentorin im Projekt Tandem der Caritas in Kleve.

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Der eigene Haushalt, die Ausbildung im Café Solo in Kleve – alles kein Problem für Abdul Shaheeq (Name von der Redaktion geändert). Obwohl er gerade mal 18 ist und erst gute zwei Jahre in Deutschland lebt. Aber die speziellen deutschen Begriffe im Fach Wirtschaft in der Berufsschule waren eine schwer zu überwindende Hürde. Bis Katrin Pade vor einem halben Jahr seine Mentorin im Projekt Tandem der Caritas wurde.

Die 22-Jährige studiert „Nachhaltigen Tourismus“ an der Rhein-Waal-Hochschule und enträtselt die Fachbegriffe für den jungen Afghanen, der im November 2015 nach zweimonatiger Flucht in Deutschland angekommen ist.

 

Hilfe nach der Flucht

 

Fünf katholische Einrichtungen haben sich am linken Nieder­rhein für das Projekt zusammengefunden. Die Caritasverbände Kleve und Geldern, das Anna-Stift in Goch, das St. Josef-Stift in Wachtendonk und der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) in Kleve organisieren gemeinsam die Begleitung junger Geflüchteter zwischen 16 und 27 Jahren.

Auf vielen Wegen vom klassischen Flyer bis Facebook haben sie nach Ehrenamtlichen dafür gesucht. Gefunden haben sie ein breites Spektrum an Freiwilligen von Studenten bis zu pensionierten Lehrern, berichtet Christoph Kobsch, der im Anna-Stift die Koordination übernommen hat.

 

Gespannt auf die neue Aufgabe

 

Katrin Pade hat über einen Flyer, der im Bürgerbüro der Stadt Kleve auslag, vom Projekt Tandem erfahren. Gerade zurück von einem Auslandssemester auf Teneriffa, war sie offen für diese Aufgabe: „Ich wusste, wie schwierig es ist, sich in einem fremden Land zurecht zu finden“, sagt sie: „Ich hätte mir das selbst gewünscht.“

Lena Krusche, Projektmitarbeiterin der Caritas Kleve, hat Abdul und Katrin zusammengebracht. Eine Kollegin hatte ihr von seinen Problemen in der Berufsschule berichtet und um Hilfe für das Fach Wirtschaft „und ein bisschen Deutsch“ gebeten. Wobei der junge Afghane im Alltag mit dieser schwierigen Sprache ziemlich gut zurechtkommt.

 

Lernen in der Mensa

 

Meistens treffen sich beide in der Mensa zum Lernen, möglichst einmal in der Woche. Katrin Pade muss die Zeit abknapsen, denn sie schreibt gerade an der Bachelorarbeit. Abdul hat in der Ausbildung als Restaurant-Fachkraft andere Arbeitszeiten, kann sonst nur abends allein zuhause lernen oder am Wochenende früh. Aber manchmal schafft es Katrin Pade auch, im Café Solo vorbeizuschauen, und neulich waren sie zusammen shoppen.

Eigentlich ist das halbe Jahr schon um, das jeweils für ein Tandem vorgesehen ist. Aber, so die Erfahrung von Lena Krusche, „oft geht es danach weiter“. Auch Katrin und Abdul wollen Kontakt halten. Bisher fehlte noch die Zeit, aber gerne würde sie ihm ihre Heimatstadt Paderborn zeigen.

 

Drei Jahre Bleiberecht

 

Umgekehrt würde es wohl schwierig: Abdul kommt aus einem Nachbarort von Kabul, und zurück will er nicht. „Ich habe Schlimmes erlebt“, erzählt er vage von seiner Flucht. Die Erlebnisse waren wohl Grund genug, dass er als Flüchtling anerkannt wurde. Für drei Jahre hat er ein Bleiberecht mit uneingeschränktem Zugang zum Arbeitsmarkt.

Komplizierte aufenthaltsrechtliche Fragen sind immer wieder Thema in den Tandems. Dafür stehen Lena Krusche und ihre Kollegen im Hintergrund bereit. Sie bringen Geflüchtete und Mentoren zusammen, und manchmal übernehmen sie inzwischen selbst die Begleitung. Grundidee war, nur Ehrenamtliche einzusetzen.

 

Zu wenig Freiwillige

 

„Manchmal mussten wir davon abweichen“, sagt Christoph Kobsch. Spürbar sei ein nachlassendes Interesse an einem Engagement in der Flüchtlingsarbeit. Daher wurden zu wenig  Freiwillige gefunden. Hilfreich ist aber, dass manche Mentoren nach dem halben Jahr wieder ein neues Tandem bilden.

Auf zwei Jahre ist das Projekt angelegt und vor allem über die Aktion Mensch und Innovationsmittel des Diözesancaritasverbandes finanziert. Im Oktober läuft es aus, was für Kobsch die Frage aufwirft, wie es weiter gehen kann. Denn genügend Bedarf gebe es noch und letztlich sei die Integration eine „Generationenaufgabe“. „Wir können die Klappe nicht einfach fallen lassen“, sagt er in der Hoffnung auf eine Anschlusslösung. Damit es mehr Erfolgsgeschichten wie bei Abdul Shaheeq gibt.

 

Flucht über die Balkanroute

 

Nach dem achten Schuljahr hat er seine Mutter und sieben Geschwister verlassen und sich auf den Weg gemacht. Seine Flucht führte über Pakistan, Iran, Türkei und die Balkan-Route. In Emmerich hat ihn eine Pflegefamilie aufgenommen. Dort ist er auch zur Schule gegangen.

Das Café Solo hat er im Rahmen eines Schülerpraktikums kennen gelernt, die Bewerbung um eine Ausbildungsstelle war dann nur noch Formsache. Abdul Shaheeq hat das Gefühl, am Niederrhein angekommen zu sein. Er hat viele Freunde gefunden – deutsche wie afghanische.

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