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In der Union stoßen Forderungen der Grünen nach Gesetzesänderungen infolge eines Urteils des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur kirchlichen Einstellungspraxis auf Ablehnung.
„Eine Bevormundung staatlicherseits, sei es durch vorgeschlagene Gesetzesänderungen oder Gerichtsentscheidungen, halte ich in diesem Zusammenhang für unangemessen“, sagte der kirchenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Hermann Gröhe (CDU), dem Evangelischen Pressedienst (epd). Was etwa eine „kirchennahe“ Aufgabe sei, könne nur vor dem Hintergrund des jeweiligen kirchlichen Selbstverständnisses beurteilt werden. Diakoniepräsident Ulrich Lilie sieht nach dem BAG-Urteil das in der Verfassung garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen in Gefahr.
Gröhe: Abweichend von bisheriger Linie
Das Bundesarbeitsgericht hatte in der vergangenen Woche einer von der Diakonie abgelehnten Stellenbewerberin ohne Kirchenzugehörigkeit eine Entschädigung von knapp 4.000 Euro zugesprochen. Die Berlinerin Vera Egenberger hatte wegen Diskriminierung aufgrund von Religion geklagt.
Diese Entscheidung weiche „erheblich von den bisherigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ab, das stets das kirchliche Selbstbestimmungsrecht betont hatte“, sagte Gröhe, der der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angehört. Die Kirchen sehen es als Teil ihres Selbstbestimmungsrechts, unter bestimmten Voraussetzungen die Kirchenmitgliedschaft bei Einstellungen zu verlangen.
Was die Grünen wollen
Die Grünen hatten nach dem Erfurter Urteil Konsequenzen im Anti-Diskriminierungsrecht verlangt. Die Bundesregierung müsse das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) umgehend reformieren, forderten der stellvertretende Vorsitzende und Religionsbeauftragte der Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, und der sozialpolitische Sprecher, Sven Lehmann.
Dies sei nötig, um das kirchliche Selbstbestimmungsrecht mit den Rechten der Beschäftigten in Einklang zu bringen. Die beiden Grünen kündigten einen Antrag zur Änderung des Paragrafen 9 AGG im Bundestag an.
Diakonie geht womöglich vor das Verfassungsgericht
Gröhe sagte, es sei geboten, die Urteilsgründe der Erfurter Richter genau zu prüfen. Er verstehe auch, „dass kirchlicherseits erwogen wird, auch das Bundesverfassungsgericht anzurufen, um es erneut mit den sehr grundsätzlichen Fragen zu befassen“.
Diakonie-Präsident Lilie kündigte in einem Gastbeitrag für den Fachdienst „epd sozial“ an, die Urteilsbegründung zu prüfen, um dann gegebenenfalls das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Das BAG sei mit seiner Entscheidung von der langjährigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichts abgewichen. „Das kann uns nicht zufriedenstellen“, erklärte Lilie.
Gröhe betonte, es könne auch für die Kirche sinnvoll erscheinen, für die Gewinnung von Fachpersonal hergebrachte Auswahlkriterien zu überprüfen: „Diese Überprüfung muss allerdings als Ausdruck des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts Sache der Kirchen selbst sein.“