Auch, wenn eine bestimmte Konfession verlangt wird

EuGH: Gerichte dürfen Einstellungsbedingungen bei Kirchen prüfen

Staatliche Gerichte müssen Einstellungsbedingungen für Job-Bewerber auch bei Kirchen prüfen dürfen. Dies gilt auch für die Bedingung der Religionszugehörigkeit, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg.

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Staatliche Gerichte müssen Einstellungsbedingungen für Job-Bewerber auch bei Kirchen prüfen dürfen. Dies gilt auch für die Bedingung der Religionszugehörigkeit, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg. Die Religionszugehörigkeit müsse für eine konkrete Tätigkeit „notwendig“, „objektiv“ geboten und verhältnismäßig sein.

Ein direkter Zusammenhang zur Konfession kann sich laut Urteil aus der konkreten Tätigkeit ergeben – zum Beispiel, wenn diese mit einem Beitrag zum „Verkündigungsauftrag“ der kirchlichen Einrichtung verbunden ist.

 

Ist Konfessions-Bedingung im Einzelfall wesentlich?

 

Laut EuGH müssen sich deutsche Gerichte bei der Prüfung nicht auf die sogenannte Plausibilitätskontrolle beschränken, eine beschränkte Kontrolle. Nationale Gerichte dürfen dem EuGH zufolge auch im Einzelfall abwägen, ob das Recht der Kirchen auf Autonomie und des Bewerbers auf Nichtdiskriminierung im Verhältnis stehen.

Die Gerichte dürfen laut EuGH nicht „über das der angeführten beruflichen Anforderung zugrundeliegende Ethos als solches“ befinden. Sie dürfen jedoch prüfen, ob es im Einzelfall „wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt“ ist, dass ein Bewerber einer bestimmten Religion oder Konfession angehört. Die Prüfung muss in Anbetracht des Ethos der einstellenden kirchlichen Organisation durchgeführt werden.

 

Evangelischer Arbeitgeber aus Deutschland verklagt

 

Geklagt hatte die konfessionslose Vera Egenberger. Sie hatte sich 2012 auf eine Referentenstelle zur UN-Anti-Rassismus-Konvention beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben. Bedingung der Ausschreibung war, Bewerber müssten Mitglied einer christlichen Konfession sein und sich mit dem diakonischen Auftrag identifizieren. Egenberger sieht darin eine Diskriminierung aufgrund ihrer Konfessionslosigkeit.

Das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung sieht durch das EuGH-Urteil das kirchliche Selbstbestimmungsrecht bestätigt. Der Rechtsvorstand der Diakonie, Jörg Kruttschnitt, sagte, das Selbstbestimmungsrecht bleibe der wesentliche Faktor bei Abwägungsentscheidungen. Für die Arbeit der Diakonie sei eine evangelische Prägung wichtig: „Diese erwarten auch die Menschen von uns, die uns ihre Kinder, Eltern oder Kranken anvertrauen.“

 

Katholische Bischöfe im Grundsatz zufrieden

 

Die katholische Deutsche Bischofskonferenz begrüßte das Urteil generell. Der EuGH habe „entschieden, dass die Kirchen grundsätzlich weiterhin berechtigt sind, im Rahmen des Bewerbungsverfahrens und der Einstellung nach der Religionszugehörigkeit des Stellenbewerbers zu differenzieren“, erklärte der Sekretär der Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer. Allerdings unterlägen die Anforderungen künftig einer intensiveren gerichtlichen Überprüfung.

Langendörfer verwies zudem auf die Klarstellung, dass es staatlichen Gerichten im Regelfall nicht zusteht, über das religiöse Ethos der Religionsgemeinschaft zu befinden. „Die Kirche legt ihr Selbstverständnis fest, diese Festlegung kann nicht dem Staat oder einem staatlichen Gericht überlassen werden.“

 

Antidiskriminierungsstelle: Kirchen müssen nun mehr begründen

 

Der Präsident des Kirchenamts der Evangelischen Kirche in Deutschland, Hans Ulrich Anke, erklärte, der EuGH habe die Autonomie des kirchlichen Arbeitsrechts grundsätzlich bestätigt. Zugleich bedauerte er, dass das Gericht die Gestaltungsfreiheit der Kirchen bei der Personalauswahl eingeschränkt habe.

Die Antidiskriminierungsstelle (ADS) des Bundes betonte, die Kirchen könnten künftig von ihren Beschäftigten nicht mehr pauschal eine bestimmte Religionszugehörigkeit verlangen. Zugleich könnten Bewerber und Beschäftigte der Kirchen Diskriminierung jetzt gerichtlich prüfen lassen.

ADS-Leiterin Christine Lüders rief die Kirchen auf, aus dem Urteil Konsequenzen zu ziehen. „Die Kirchen müssen ab jetzt für jedes einzelne Arbeitsverhältnis nachvollziehbar und gerichtsfest begründen können, warum eine bestimmte Religionszugehörigkeit dazu zwingend notwendig sein soll.“

 

Verdi: Bei verkündigungsfernen Jobs entscheidet die Eignung

 

Die Dienstleistungs-Gewerkschaft Verdi begrüßte das Urteil. „Bei verkündigungsfernen Tätigkeiten gilt: Kirchliche Arbeitgeber dürfen bei Einstellungen ausschließlich die Qualifikation und Eignung berücksichtigen. Das ist jetzt auch gerichtlich überprüfbar“, so Sylvia Bühler, Mitglied im Verdi-Bundesvorstand. „Der Sonderstatus der Kirchen ist ein Relikt vergangener Zeiten. Er hätte längst abgeschafft werden müssen.“

Im Licht des EuGH-Urteils muss nun die deutsche Justiz über den Fall Egenberger entscheiden. Sie hatte rund 10.000 Euro Entschädigung wegen Diskriminierung gefordert.

Update 15.30 Uhr um weitere Reaktionen.

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