Marianne Heimbach-Steins über die Bedeutung von Menschenrechten

Darum ist die Friedensenzyklika von Johannes XXIII. noch immer aktuell

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Die modernen Menschenrechte sind durch die Friedensenzyklika von Papst Johannes XXXIII., die vor 60 Jahren erschienen ist, anerkannt worden. Ein solcher Humanismus bildet die Wurzel der Überwindung von Gewalt, sagt Professorin Marianne Heimbach-Stein in ihrem Gast-Kommentar.

„Wenn es nicht recht war, was ich gesagt habe, dann weise es nach; wenn es aber recht war, warum schlägst du mich?“ (Joh 18,23) Jesu Wort, als er im Verhör von einem Gerichtsdiener geschlagen wird, klingt nach: Behandle mich nach Recht und Gesetz, achte meine Würde, mach mich nicht zum Spielball Deiner Wut und Willkür!

Jesus tritt auf als einer, der sich seiner Rechte bewusst ist – der Rechte, die ihm zukommen, weil er ein Mensch ist, der Würde hat und Achtung verdient. Sich seiner eigenen Rechte als Mensch bewusst zu werden, verlangt geradezu, diese Rechte als Zeichen der Menschenwürde auch zu beanspruchen und nicht alles mit sich machen zu lassen.

60 Jahre Friedensenzyklika von Papst Johannes XXIII.

Die Autorin
Marianne Heimbach-Steins, geboren 1959 in Köln, ist Direktorin des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften und Herausgeberin des Jahrbuchs für Christliche Sozialwissenschaften.

Es geht um das Bewusstsein der eigenen, grundlegenden Menschenrechte: Schutz der Persönlichkeit, physische und psychische Integrität, freie Meinungsäußerung, ein faires Gerichtsverfahren – um nur die Aspekte zu nennen, die sich unmittelbar mit der Gerichtssituation aus dem Evangelium verbinden lassen. Wer sie für sich selbst geltend macht, muss sie zugleich auch für alle anderen Menschen anerkennen und hoch schätzen.

An diesem Gedanken aus der Friedensenzyklika von Papst Johannes XXIII. (Nr. 44) bin ich beim Wiederlesen hängen geblieben. Johannes hat das Schreiben am 11. April – Gründonnerstag – 1963 veröffentlicht; es wird in diesen Tagen 60 Jahre alt. In der katholischen Sozialverkündigung kommt ihm ein besonderer Platz zu, weil darin die modernen Menschenrechte, so wie die Vereinten Nationen sie 1948 erklärt haben, ausdrücklich anerkannt und in kirchliches Friedens­­ethos integriert werden.

Menschenrechte als Grundgerüst einer Ordnung

Die Menschenrechte bilden das Grundgerüst einer Ordnung, die der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Liebe und der Freiheit zum Durchbruch verhilft: Diese Botschaft setzt Johannes XXIII. der dramatischen Kubakrise (1962) entgegen.

Solcher Humanismus mag – gerade mit Blick auf aktuelle Gewaltkonflikte – naiv, ja vergeblich erscheinen. Jesus steht in Würde vor Pilatus, er fordert Achtung ein. Sie wird ihm gewaltsam verweigert. Das ist die Situation ungezählter Menschen heute, die ungerecht verhaftet, gefangen gehalten, der Gewalt ungerechter Kriege ausgeliefert werden.

Das Menschenrecht, als Träger einer nicht von Verdiensten abhängenden Würde anerkannt zu werden, bildet die Wurzel der Überwindung von Gewalt. Es bietet sich als Kompass für den Umgang zwischen Personen wie als Grundgesetz politischen Handelns an, weil es legitimer Machtausübung eine Grenze setzt.

In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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