2018 wird ein „Stille Nacht“-Jahr

Das berühmteste Weihnachtslied der Welt wird 200

Was haben hungrige Kirchenmäuse, eine kaputte Orgel und ein bettelarmer Hilfspriester mit dem berühmtesten Weihnachtslied der Welt zu tun?

Anzeige

Eigentlich war es eine Notlösung – und niemand konnte ahnen, die Geburtsstunde des berühmtesten Weihnachtslieds der Welt mitzuerleben: Weihnachten 2018 ist es 200 Jahre her, dass zum ersten Mal „Stille Nacht“ gesungen wurde. Anlass für ein ganzes „Stille Nacht“-Jahr.

Weihnacht für Weihnacht tönt es „laut von fern und nah“ – etwa bei Kerzenschein in der Christmette. Oder beim „trauten hochheiligen Paar“ zu Hause – selbst gesungen oder von CD in einer der ungezählten Versionen. Gegen den „holden Knaben im lockigen Haar“ hat selbst George Michaels Föhnwelle bei „Last Christmas“ keine Chance.

 

Scharfrichter als Taufpate?

 

Die Kirche in Mariapfarr. Hier trat Joseph Mohr seine erste Pfarrstelle an. | Foto: Michael Bönte
Die Kirche in Mariapfarr. Hier trat Joseph Mohr seine erste Pfarrstelle an. | Foto: Michael Bönte

Dabei war der Erfolg keineswegs absehbar. Joseph Mohr war 1792 als drittes von vier unehelichen Kindern einer Strickerin in Salzburg zur Welt gekommen. Sein Vater war ein Deserteur, als Taufpate war der Scharfrichter im Gespräch – nicht gerade feine Gesellschaft also. Ein Vikar des Domchors erkannte das Talent und ermöglichte Abitur und Philosophie-Studium. Fürs Priesterseminar war eine Sondererlaubnis nötig – wegen der unehelichen Herkunft.

Seine erste Stelle als Hilfsgeistlicher trat Mohr 1815 in Mariapfarr an, 130 Kilometer südöstlich von Salzburg. Weil er immer wieder kränkelte, kam er 1817 zurück – nach Oberndorf an der Salzach, direkt an der deutschen Grenze.

 

Hungrige Kirchenmäuse

 

Sie möchten in diesem Jahr mal alle sechs Original-Strophen singen? Hier finden Sie den Text und die Noten.

Dazwischen lag 1816, ein Jahr voller Kälte, Hunger und Not. In dieser Zeit der Sehnsucht nach besseren Zeiten – nach „himmlischer Ruh“ und „rettender Stund“ – schrieb Mohr ein Gedicht mit sechs Strophen, von denen heute meist nur die erste, zweite und sechste gesungen werden. Viel ist über den Ursprung des Textes nicht bekannt – und selbst das wenige wurde erst 1995 entdeckt, als eine Handschrift auftauchte, in der Mohr selbst 1816 als Entstehungsjahr notiert hatte.

Bis dahin hieß es, Mohr habe den Text spontan Heiligabend 1818 zu Papier gebracht – Stunden bevor das Lied erstmals gesungen wurde. Und daran waren hungrige Kirchenmäuse nicht unschuldig. Denn die hatten an der altersschwachen Orgel der Oberndorfer Kirche den Blasebalg kaputtgenagt.

 

Uraufführung mit Gitarre

 

Im ersten Stock des Gedächtnishauses finden sich Erinnerungsgegenstände an den Komponisten. | Foto: KNA
Der Co-Autor des berühmten Weihnachtsliedes, Franz Xaver Gruber, wurde in Hochburg-Ach geboren. Im ersten Stock des Gedächtnishauses finden sich Erinnerungsgegenstände an den Komponisten. | Foto: KNA

Was tun? Aushilfspfarrer Mohr fiel sein Gedicht wieder ein – und er fand sogar den Zettel mit dem Text wieder. Also fragte er Dorflehrer und Organist Franz Xaver Gruber, ob er nicht schnell eine Melodie dazu schreiben könne.

Er konnte: Zum Schluss der Christmette spielte Mohr Gitarre und sang Tenor, Gruber sang Bass. „Das Lied hat gefallen“, wurde als Reaktion der Gemeinde überliefert, die überwiegend aus armen Schiffern bestand. „Christ, der Retter ist da“ muss für sie verheißungsvoll geklungen haben. Auch wenn sie nicht ahnen konnten, die Premiere des berühmtesten Weihnachtsliedes erlebt zu haben.

 

„Stille Nacht“ im Ersten Weltkrieg

 

Auch Mohr und Gruber hätten sich das nie träumen lassen. Schon 1819 trennten sich für immer ihre Wege. Von Mohr, der 1848 starb, sind keine weiteren Texte überliefert. Gruber hinterließ bei seinem Tod 1863 nicht nur 12 Kinder von drei Frauen, sondern auch mehr als 90 Kompositionen.

Den Siegeszug von „Stille Nacht“ brachte vor allem ein Orgelbauer auf den Weg, der bei der Reparatur der Oberndorfer Orgel einen Zettel mit Text und Noten fand. Zur Wirkungsgeschichte gehören auch nicht nur unzählige mehr oder weniger besinnliche Coverversionen und ein „Christmas Wonderland“ mit Stille-Nacht-Kapelle in den USA, sondern auch Begebenheiten aus dem Ersten Weltkrieg: Von mehreren Fronten ist überliefert, dass verfeindete Truppen kurzfristig die Waffen schweigen ließen, um zwischen den Schützengräben gemeinsam „Stille Nacht“ anzustimmen.

 

In mehr als 200 Sprachen übersetzt

 


Auf Youtube haben wir eine Playlist gefunden, die Aufnahmen von „Stille Nacht, heilige Nacht“ in unterschiedlichen Sprachen sammelt. Über diesen Link gelangen Sie zur Playlist.

Seit 2011 ist das Lied nationales immaterielles Unesco-Kulturerbe. Und Jahr für Jahr singen mehr als zwei Milliarden Menschen in weit mehr als 200 Sprachen „alles schläft, einsam wacht“ und „Gottes Sohn, o, wie lacht“.

Das Salzburger Land und die Stille-Nacht-Gesellschaft haben das Stille-Nacht-Jahr 2018 eingeläutet und sogar den Papst eingeladen. Sie betonen vor allem die Kraft der Botschaft des Friedens – gerade in diesen „Zeiten internationaler Krisen und Umbrüche“. Eine Botschaft, an die sicher viele gerne glauben und auf eine tatsächlich stille Nacht hoffen.