Auslegung der Sonntagslesungen von Pater Daniel Hörnemann

Die Botschaft des 3. Adventssonntags (A)

Die beste Nachricht dieses Sonntags finden Sie hier! Benediktinerpater Daniel Hörnemann erklärt, was die Lesungen im Gottesdienst heute zu sagen haben. Und das Evangelium gibt es zum Anhören dazu.

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Gott kommt zu uns. Darum geht es im Advent. Aber woran soll man das erkennen? Selbst Johannes dem Täufer geht es so, als er auf Jesus trifft. Lange vorher hatte einer eine Antwort: an blühenden Landschaften. Reicht das gegen die Skepsis?

„Auf keinen Andern wart' ich mehr: Wer soll noch Liebres kommen mir?“ So schrieb die westfälische Dichterin Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848) zum dritten Adventssonntag in ihrem Gedichtzyklus „Das geistliche Jahr“, den sie 1819 begann, der aber erst 1851 nach ihrem Tod erschien. Um 1820 scheiterte ihre Liebesbeziehung zu dem Studenten Heinrich Straube aufgrund einer Familienintrige. Emotional erschüttert und auf familiären Druck hin zog sie sich zurück. Der Glaube sollte ihr helfen, ihre Krise zu überwinden.

Das Werk ist der künstlerische Ausdruck ihres Ringens um Gott und ihrer Glaubenszweifel. Die Dichterin wollte zu allen Sonn- und Feiertagen des Kirchenjahres Verse verfassen. Ihre Lieder gerieten jedoch nicht zur romantischen Erbauungspoesie eines religiösen Schwarmgeistes, sondern zum persönlichen Bekenntnis.

 

Die alte Frömmigkeit trägt nicht mehr

 

Die alte Frömmigkeit trägt nicht mehr, ein irritierter und verzweifelter Mensch sucht hier neuen Halt. Die Droste findet über ihre Dichtung nur mit größter Mühe zur Hoffnung auf Erlösung zurück. Schließlich aber kann sie sagen: „Auf keinen Andern wart' ich mehr: Wer soll noch Liebres kommen mir?“ Das ist die Antwort der Droste auf die Frage des inhaftierten Täufers Johannes: „Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten?“ (Mt 11,3).


Das Evangelium zum Hören.

Ihr Suchen, Nachdenken und Fragen ist zum Ziel gelangt: „In Liebe glaub' ich. – Geschlossen ist des Grübelns Tür.“ Sie hat ihren Jesus allen Erschütterungen ihres Lebens zum Trotz gefunden. Die Frage Johannes' des Täufers war die Frage des wartenden Gottesvolkes Israel und ist die Frage der Menschheit überhaupt. Die Tatsachen sprechen ihre eigene Sprache: „Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein, und Taube hören; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet“ (Mt 11,5).

Wer dafür offene Augen und Ohren hat, erkennt die Beweise für das Kommen des Gottessohns und sein Wirken als Messias auf Erden. Da beantwortet sich die Frage: „Wer ist dieser Jesus?“ Da steht die Einladung zum Glauben an ihn, der weit über die oberflächliche Faszination angesichts seiner Wundertaten hinausgeht.

 

Jesu Anspruch

 

Ausgerechnet der Täufer stellt die fundamentale Frage: Bist du es? Dabei hat er Jesus doch von früh auf gekannt und deutlich auf ihn hingewiesen. Statt eines Ausrufezeichens setzt er nun ein großes Fragezeichen. Sein Hilferuf ergeht aus seiner persönlichen Not heraus. Im Gefängnis fühlt er sich von Gott und der Welt, auch von Jesus verlassen, der ihn nicht einmal dort besucht, geschweige denn aus der Haft herausholt.

Der Autor

Pater Daniel Hörnemann ist Subprior der Benediktiner-Abtei Gerleve und Theologischer Berater von Kirche+Leben. | Foto: Markus Nolte

 

Was sucht ihr wirklich?

 

Erhält Johannes nun auch noch in seine Bedrängnis hinein den indirekten Tadel Jesu: „Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt“? Dies ist das letzte Wort des Messias an den Täufer. Meint er positiv gewendet damit: „Selig, wer mich und meinen Anspruch annimmt“?

Jesus erfüllte anscheinend nicht die Hoffnung aller Menschen. Längst nicht alle bekehrten sich zu ihm, selbst anfänglich Begeisterte zeigten sich enttäuscht. Nur wirklich mit dem Herzen Fragende und Suchende erkennen die Zeichen seines Wirkens.

Das ist heute nicht anders als zu seiner Zeit. „Was habt ihr denn sehen wollen?“ Ein schwankendes Schilfrohr, einen Palastbewohner in teurer Kleidung oder einen Propheten? Die Angesprochenen sollen sich entscheiden, was und wen sie wirklich suchen: Das oberflächlich Wankelmütige, die Erfüllung materieller Bedürfnisse oder den größten Künder und Vorläufer Christi.

 

Jesaja und Helmut Kohl

 

Lange vor Johannes hat Jesaja die Verzagten seines Volkes mit den Worten aufgerichtet: „Habt Mut, fürchtet euch nicht! Seht, hier ist euer Gott!“ (Jes 35,3). In die Aussichtlosigkeit ihrer Verbannung in der Fremde setzt er die Vision einer blühenden Landschaft. Allerdings ohne konkrete Zeitangabe, wann sie Wirklichkeit wird.

Genauso wenig nannte der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl viele Jahre später ein genaues Datum, als er 1990 anlässlich des Inkrafttretens der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion dieselbe Metapher verwendete, dass sich „durch gemeinsame Anstrengung“ die ostdeutschen Länder „in blühende Landschaften“ verwandeln würden. Daran kamen alsbald starke Zweifel auf.

 

Das Warten lohnt

 

Und doch brauchen Menschen Worte der Ermutigung, dass die Zeiten der Dürre und Not, der Mutlosigkeit und Stagnation ein Ende haben werden. Dass sich das Warten lohnt, darauf verweist in der Zeit der Urkirche der Jakobusbrief: „Haltet geduldig aus bis zur Ankunft des Herrn!“ (Jak 5,7). In jedem Leben gibt es dafür einen eigenen Zeitpunkt. Annette von Droste-Hülshoff hat ihn erfasst und folgert: „Auf keinen Andern wart' ich mehr: Wer soll noch Liebres kommen mir? Wer soll so mild und doch so hehr mir treten an des Herzens Tür?“

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