In Neuscharrel wird neuer Verein gegründet

Einem Pfarrheim drohte die Schließung - doch kleiner Ort schafft Wende

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Sonderpreis: für einen Euro hat die Dorfgemeinschaft Neuscharrel jetzt das Pfarrheim St. Ludger gekauft. Die Gemeinde St. Marien Friesoythe als Eigentümerin stand vor Sanierungskosten von mehreren hunderttausend Euro. Der Ort will das nun selbst in die Hand nehmen.

Die Messdiener – keinen Ort mehr für ihre Treffen. Der Frauenchor St. Ludger – keinen Ort mehr für seine Treffen. Der Musikverein – keinen Ort mehr für seine Treffen. Nur drei Beispiele, wie wichtig es in Neuscharrel ist: das Pfarrheim St. Ludger, direkt neben der Kirche.

Der Ort bei Friesoythe im Kreis Cloppenburg hat rund 1.000 Einwohner. Die hatten im vorigen Jahr ein enormes Problem: wie weiter mit dem Pfarrheim? Denn in dem fast 70 Jahre alten Gebäude gab es Brandschutzmängel, abgesackte Fußböden, Statikschäden, Schwächen bei Energetik und Sanitäranlagen.

Sanierung wäre teuer geworden

Neuscharrel gehört zur Pfarrgemeinde St. Marien Friesoythe. Dort rechnete man aus: ein kleinerer Neubau für 1,5 Millionen Euro oder eine Sanierung des Altbaus für 800.000 Euro. Der Kirchort Neuscharrel hätte je die Hälfte als Eigenanteil zu zahlen.

„Das hätten wir nicht zahlen können“, sagt Marie Reiners, Vorsitzende des Ortsrats und früher Grundschullehrerin. In Neuscharrel habe man sich aber nicht einfach gefügt, sondern nachgedacht. Denn das Pfarrheim sei wichtig für den Ort, so etwas wie der Dorfmittelpunkt.

22 Vereine brauchen einen Treffpunkt

Im Ort zählt man 22 Vereine jeder Art. Die brauchen einen Ort für ihre Treffen, die Katholische Frauengemeinschaft ebenso wie der Handels- und Gewerbeverein, wie Messdiener oder Seniorentreff. Aber würden sie sich auch einsetzen, wenn es um die Existenz ihres Treffpunktes gehen würde?

Hans Werner ist so etwas wie der Heimatexperte im Ort; er erinnert sich an ein erstes, kleineres Treffen. Wo die Gruppen, die das Pfarrheim nutzen, gefragt wurden, ob sie sich für das Pfarrheim einzusetzen würden – auch finanziell. „Das war kein Problem.“

Die dritte Lösung – ein neuer Verein

Denn inzwischen hatten Ort und Pfarrgemeinde neben Neubau und Sanierung eine dritte Lösung gefunden: der Verkauf an einen neuen, gemeinnützigen Verein im Ort. Der könnte das Pfarrheim tragen und bewirtschaften, einschließlich Sanierung.

Die Verhandlungen waren erfolgreich. Der neue Verein „Use Dörp Neischarrel“ ist in der Gründungsphase, die Kirchengemeinde will Haus und Grundstück zum symbolischen Preis von einem Euro an ihn verkaufen.

150 Menschen zeigen Interesse am Pfarrheim

Um dieses Modell verwirklichen zu können, haben die Verantwortlichen im November den ganzen Ort noch einmal eingeladen; 150 Menschen „zwischen 15 und 87 Jahren“ seien gekommen, erinnert sich Hans Werner. Nicht nur aus den kirchlichen Vereinen im engeren Sinn, sondern wirklich aus dem ganzen Ort. Ein juristischer Fachmann stellte das Modell eines Vereins vor; die Ortsversammlung stimmte dem Projekt zu.

Pfarrer Christoph Winkeler hatte zunächst über eine Lösung im Rahmen der Kirche nachgedacht. „Aber die Idee war geboren, und sie hat bei den Gruppen und Vereinen in Neuscharrel gezündet. Kompliment an alle, die mitmachen und das Projekt unterstützen!“

Verein kommt langsam voran

Das Verfahren komme Stück für Stück voran, berichtet Marie Reiners, die zur Vorsitzenden des neuen Vereins gewählt wurde. Aus dem Finanzamt in Cloppenburg gebe es Signale, dass die Gemeinnützigkeit des Vereins möglich sei, dann könne man die nächsten juristischen Schritte gehen. Ein Verfahren, das rechtlich kompliziert ist und langsam abläuft, deshalb Geduld erfordert.

Aber für die Menschen im Ort gibt es schon jetzt eine Menge zu tun. Wenn sie das Pfarrheim selbst und günstig sanieren wollen, braucht es neben sehr viel Eigenleistung auch eine Menge Geld. Wie ein solch kleiner Ort das schaffen wolle?

Neuscharrel sammelt Geld für die Sanierung

Für Hans Werner war das nie eine Frage. „Das ist der Vorteil des kleinen Dorfs, hier hält man zusammen und packt konkret an.“ Zum Beispiel beim „Suppentag“. Werner berichtet: Eine Frauengruppe habe Suppe gekocht, verteilt und zum Abholen bereitgestellt. Gegen einen kleinen Beitrag.

Geld kam auch zusammen bei einem „Benefizkonzert“. Oder bei einem Glühweinverkauf auf dem Dorfplatz. Auch mit amtlichen Fördermitteln rechnet man im Ort. Hans Werner klingt restlos optimistisch, wenn er von der Zukunft des Pfarrheims spricht.

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