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Die Zahl der Organspender ist 2023 wieder gestiegen – doch im Gegensatz zu anderen Ländern Europas bleibt das Niveau in Deutschland auf niedrigem Niveau. Gero Frings, Experte für Organspende und Chefarzt am St.-Bernhard-Krankenhaus in Kamp-Lintfort, erklärt, warum die Politik endlich handeln sollte.
Wieder mehr Menschen in Deutschland haben 2023 ihre Organe gespendet. Ist diese Nachricht für Sie als Transplantationsmediziner ein Grund zum Jubeln?
Kein Grund zum Jubeln – eher ein Durchatmen, mit dem Wissen, dass die Organspende-Zahlen seit über zehn Jahren auf niedrigem Niveau nicht ausreichen, um den Bedarf an notwendigen Organen in Deutschland abzudecken. Wir haben für Deutschland eine Spendenquote von 11,4 pro Millionen Einwohner*innen zu verzeichnen. Ein Land wie Spanien kommt dagegen auf eine Spendenquote von 46 pro Millionen Einwohner*innen. Selbst ein aus unserer Sicht „kleines Land“ wie Kroatien erreicht eine Spendenquote von 24 pro Millionen Einwohner*innen. Die Arbeit der Intensivmediziner*innen in Deutschland als sogenannte Transplantationsbeauftragte auf den Intensivstationen der Krankenhäuser wurde in vielerlei Hinsicht verbessert, was wir auch aus verschiedenen Zahlen erkennen können. Vielleicht können wir deshalb die Organspende-Zahlen für unser Land halten.
Wie viele Menschen in Deutschland warten in etwa auf Spenderorgane und wie viele Menschen kann ein einzelner Organspender retten?
Zirka 8.500 Menschen stehen auf der Warteliste zu einer lebensnotwendigen Transplantation. Täglich sterben Patient*innen auf der Warteliste. Insofern sind wir völlig darauf angewiesen, aus unseren Partnerländern in Europa Organe beziehen zu können, was aber aus vielerlei Gründen, auch entfernungsbedingt, oftmals ein schwieriges medizinisches Unterfangen darstellt und deshalb in manchen Fällen trotz sehr guter Übereinstimmung im Labor zwischen Spender und Empfänger kaum oder gar nicht möglich ist. Zudem stellt sich länderübergreifend eine ethische Frage nach Gerechtigkeit, wenn die einen fast nur nehmen und nichts geben. Hätten wir die gleichen Zahlen wie unsere europäischen Nachbarn, könnten wir die Menschen in Deutschland wahrscheinlich sehr gut versorgen, denn pro Organspender*in können bis zu sieben Menschen Organe erhalten und so gerettet werden.
Welche Herausforderungen erleben Sie im alltäglichen Umgang mit Patienten, die dringend auf ein Spenderorgan warten?