Tagung „Die Kirche als Marke“ im Franz-Hitze-Haus in Münster

Experten: Marketing allein macht Kirche nicht glaubwürdig

Marketing- und Medienexperten haben die Kirche aufgerufen, verstärkt auf glaubwürdige Einzelpersonen zu setzen. Begeisternde Mitglieder seien wichtiger als Marketing und soziale Medien.

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Marketing- und Medienexperten haben die Kirche aufgerufen, verstärkt auf glaubwürdige Einzelpersonen zu setzen. „Soziale Medien suggerieren eine Nähe, die sie oft nicht einlösen können“, sagte Peter Kenning, Professor für Marketing an der Universität Düsseldorf. „Viel wichtiger sind die Personen vor Ort.“ Kenning äußerte sich bei einer Diskussion bei der Tagung „Kirche im Web. God ist the Key – die Kirche als Marke“ in der katholischen Akademie Franz-Hitze-Haus in Münster.

Felix Neumann, Internet-Redakteur bei „katholisch.de“, sagte, es sei schwer, Marketingstrategien auf die Kirche zu übertragen. „Wir können nicht die großen Influencer werden, aber wir brauchen junge Leute, die selbst begeisternd wirken“, so Neumann. Allerdings mangle es der Kirche derzeit an glaubwürdigen Zeugen.

 

„Personen-Vertrauen ist das stärkste“

 

Kenning definierte Marken als „feste Vorstellungen von Produkten und Dienstleistungen in den Köpfen der Menschen“. Es könne kein Marketingkonzept für den Gesamtbereich Kirche geben, da auf Gemeinde-, Bistums- und Weltebene unterschiedliche Marken existierten. „Das Bistum Münster geht auf der Marketingebene durch die Schaffung von Beziehungsqualitäten vor Ort einen guten Weg“, lobte Kenning.

Es komme darauf an, Vertrauen über Menschen aufzubauen. „Die Bischöfe können der Marke Kirche ein Gesicht geben, denn das Personen-Vertrauen ist normalerweise das stärkste“, erläuterte der Marketing-Professor. Das Vertrauen in kirchliche Personen sei aber zuletzt stark erschüttert worden.

 

Kein überall sichtbarer digitaler „Kirchturm“

 

Auf dem Podium im Franz-Hitze-Haus (von links): Professor Peter Kenning, Felix Neumann und Christian Weisker. | Foto: Gerd Felder
Auf dem Podium im Franz-Hitze-Haus (von links): Professor Peter Kenning, Felix Neumann und Christian Weisker. | Foto: Gerd Felder

Neumann sagte, die Kirche unterhalte viele gute Einrichtungen und habe sich auch im Marketing verbessert. Das Produkt allerdings, das sie von allen anderen Institutionen unterscheide, sei die Erlösung – das sei heute schwierig an die Kunden zu bringen.

„Für kirchliche Stellen ist eine große Herausforderung durch die sozialen Medien entstanden“, so der Internet-Redakteur. In diesen Medien bestehe allerdings die Chance zum Dialog. Dafür brauche es Menschen, die glaubhaft sind: „Macht Einzelne dort stark und traut ihnen etwas zu!“

Einen überall sichtbaren „Kirchturm“ im digitalen Bereich gebe es nicht, auch wenn die Twitter-Nachrichten von Papst Franziskus gesamtgesellschaftlich relevant seien. Neumann verwies auf die große Anzahl lokaler Öffentlichkeiten im Netz. Große Marketingstrategien könnten nie alle möglichen Adressaten und erst recht nicht die Jugendlichen erreichen.

 

Rolle des Missbrauchsskandals

 

Christian Weisker, Leiter des Info-Service bei der Kommunikationsstelle der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), sagte, die evangelische Kirche habe keine übergreifende Marketingstrategie: „Bei uns steht die Gemeinde vor Ort im Mittelpunkt, während die Institution Kirche nicht so wichtig ist.“ Gleichwohl müsse die Kirche neue Wege zu den Menschen suchen.

Neumann verwies abschließend erneut auf die Rolle des Missbrauchsskandals, der dringend aufgearbeitet werden müsse: „Erst wenn wir das als umkehrende und bereuende Institution losgeworden sind, können wir über Marketing und Marken reden.“

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