Ursprung und Bedeutung eines der "katholischsten Feste"

Fronleichnam - Nicht wir tragen Gott vor uns her, er trägt uns

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So vertraut und traditionell das Fest, sein Name und sein Ritus befremden viele: An Fronleichnam geht es schließlich weder um den toten Körper Jesu noch um eine katholische Demonstration.
Sondern um das, was wir zum Leben brauchen. Und wen.

Ein morbid klingender Titel wurde dem wohl katholischsten aller Feste im Kirchenjahr gegeben: „Fron-Leichnam“. Das seltsame, missverständliche Wort legt die Vermutung nahe, es ginge um den toten Herrenleib. Gemeint ist aber der in der Kirche durch die Eucharistie lebendige Leib Christi. 

Am 60. Tag nach Ostern feiern Katholiken das „Fest des heiligsten Leibes und Blutes Christi“. Allerdings wissen immer weniger Menschen, auch Katholiken, mit dem grundlegenden Gedankengut für dieses Ideenfest etwas anzufangen. Brot und Wein sollen Leib und Blut Christi darstellen, da kommt vielen schnell die Verballhornung der alten Wandlungsworte von „Hoc est Corpus“ („Das ist mein Leib“) zu „Hokuspokus“ in den Sinn. Dass dieser „Zauber“ dann noch feierlich draußen herumgetragen wird, jedem zur Schau, außer in Coronazeiten, das wird von vielen Zeitgenossen als Theater oder allenfalls als touristische Veranstaltung angesehen. Und überhaupt, gibt es nicht längst einen eigenen halben Feiertag für die Eucharistie? 

 

Keine Demo gegen Andersgläubige

 

Da aber das Gedenken an das Letzte Abendmahl Jesu und die allererste Eucharistiefeier am Gründonnerstag in die stillen Kartage fällt, wählte man den zweiten Donnerstag nach Pfings­ten als Festdatum. Zentrum von Fronleichnam ist die Messfeier, alles andere ist Beiwerk, mag es noch so prächtig ausgestaltet sein. 

Bei der „Gottestracht“, dem Tragen der Hostie in der Monstranz, einem edlen Schaugefäß, unter dem Baldachin, einem Tragehimmel, ziehen Prozessionen durch Straßen und Felder. Sie sind nicht gedacht als Demonstrationen gegen Andersgläubige, sondern eher Demonstrationen für den eigenen Glauben, der sich nicht auf das Kircheninnere begrenzt, sondern nach außen dringt, in die Welt hinein.

 

Der Ursprung des Festes

 

Die Anregung zum Fronleichnamsfest kam von der Augustiner-Chorfrau Juliana von Lüttich. Schon als junges Mädchen sah sie in einer Vision einen defekten Mond, den sie als Symbol für das Kirchenjahr interpretierte, bei dem noch ein eigenes Fest zu Ehren der heiligen Eucharistie fehlte. 

Dem Defizit sollte abgeholfen werden, der zunächst skeptisch-abwehrende Bischof von Lüttich ordnete für seine Diözese 1246 ein solches Fest an, zwei Jahrzehnte danach machte es Papst Urban IV. für die gesamte Kirche verpflichtend. 

 

Ein Brot mit Mehrwert

 

Der zeitgenössischen Theologie und Spiritualität folgend wollten die schaulustigen Gläubigen das in Christi Leib verwandelte Brot sehen. In der Messe wurde es daher nun eigens während der Wandlung hoch erhoben gezeigt und in Andachten in der Monstranz verehrt. Die Hostie wurde zum „Schaubrot“. 

Doch nur der Glaubende erkennt den Mehrwert des gezeigten Brotes. Thomas von Aquin prägte mit seinen Hymnen den Charakter des Festes in der Spannung zwischen sinnlicher Erfahrung und bewahrtem Geheimnis: „Gottheit tief verborgen, betend nah‘ ich dir. Unter diesen Zeichen bist du wahrhaft hier. ... Jesus, den verborgen jetzt mein Auge sieht, stille mein Verlangen, das mich heiß durchglüht: Lass‘ die Schleier fallen einst in deinem Licht, dass ich selig schaue, Herr, dein Angesicht.“

 

Jede Eucharistie ist eine Zumutung

 

Wir Menschen leben nicht von Speis und Trank allein, wir brauchen lebendiges Brot und lebendigen Wein. Jesus hat nicht umsonst gerade diese Symbole gewählt, um sich den Menschen begreiflich, geradezu genießbar zu machen. Er will uns so nahe sein wie Speise und Trank. Wir dürfen ihn in uns aufnehmen, essen und trinken. 

Eine ungeheuerliche Vorstellung, jede Eucharistie ist eine Zumutung. Wir kommen mit dem Verstand kaum mit. Das Fronleichnamsfest will uns das Geheimnis Gottes nahebringen, persönlich nahe. Gott will nicht draußen bleiben, sondern jeden und jede von uns persönlich treffen. Es kommt nicht darauf an, dass wir die Eucharis­tie vor uns hertragen und ihr nachlaufen, sondern dass wir sie in uns tragen und wirken lassen. Es geht nicht um Machtdemonstration nach außen, nicht um den Beweis, wir „haben“ unseren Gott, sondern um das Lernen nach innen: Ich brauche ihn so nötig wie Essen und Trinken.

 

Die beste Prozession

 

Die Zahl der Teilnehmenden an traditionellen Prozessionen nimmt immer mehr ab, entsprechend der Zahl der aktiv am Gemeindeleben teilnehmenden Katholiken. Eine machtvolle Kundgebung katholischen Glaubenslebens, ein Triumphzug des eucharistischen Heilandes durch die Straßen des Alltags, ein Treuebekenntnis Tausender zum Glauben der Väter wie etwa vor hundert Jahren wird kaum noch daraus. Die beste Prozession im Sinne von „Aus-sich-Herausgehen“ ist die, wenn wir mit Gott in uns auf­einander neu zugehen und einander das Leben bereichern.

Im Grunde wissen wir im Tiefsten, wen und was wir zum Leben brauchen. Die heutige Sinngebung von Fronleichnam geht vom Bild des wandernden Gottesvolks mit Christus, dem „Brot des Lebens“, in der Mitte aus.

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