Reporter Michael Rottmann über die Alle-Jahre-Wieder-Empörung im Frühherbst

Haben wir keine anderen Probleme als Spekulatius im September?

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Kaum sind Spargel- und Erdbeersaison vorbei, läutet Spekulatius im September die Vorweihnachtszeit ein. Geht gar nicht! Verbieten! Oder wie? Michael Rottmann hat eine andere Idee.

Wer im September einen Kommentar über Spekulatius schreibt, will sich bestimmt wieder aufregen. „Viel zu früh!“, „Passt nicht!“, „Verdirbt die Stimmung!“, solche Sachen. Sie, liebe Leserinnen und Leser, kennen das sicher auch aus Gesprächen im Freundeskreis. In der Regel ist die Stimmung einhellig kritisch: „Muss das denn sein?“ Nur selten traut sich mal einer aus der Deckung und gibt verschämt zu: „Also ich freu mich jedes Mal, wenn es endlich wieder Lebkuchen gibt.“ Und muss meist mit vorwurfsvollen Blicken rechnen: „Wie kann man nur!“ Dabei wäre eher Gelassenheit angebracht: „Lasst ihn doch.“

Natürlich wirkt es völlig verfrüht, dass der Lidl-Prospekt wie in diesem Jahr schon Mitte September für Pfeffernüsse oder Dresdner Christstollen die Reklametrommel rührt. Unter dem Motto auf der Reklame-Doppelseite: „Vorfreude auf magische Weihnachten“. Aber die Marketing-Strategen wissen genau, was sie tun, und dass es solche und solche Kunden gibt. So wie bei Schoko-Osterhasen, die meist schon ab Februar oder noch früher im Regal stehen.

Verbieten verbieten?

Na und? Soll man den allzu frühen Verkauf von Feiertags-Naschzeug etwa verbieten? Das wünscht sich nach einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Yougov aus dem vergangenen Jahr zwar angeblich jeder dritte Deutsche. Ich bin dennoch strikt dagegen. Einzig einem per Gesetz verordneten Stichtag für das erste Weihnachtsliedergedudel in den Geschäften könnte ich vielleicht etwas abgewinnen – im Sinn des Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit – und ohne es wirklich ernst zu meinen.

Denn die ganze Aufregung lohnt nicht. Deshalb an dieser Stelle ein Wort zur Versöhnung über den Dominosteinen: Lassen wir es gut sein! Es gibt Wichtigeres, das Protest und Aufregung wert ist. Wer von zu frühen Weihnachtsangeboten genervt ist, der kann die Süßigkeiten einfach im Regal liegen lassen. Und wenn jemand seine Vorfreude schon im Spätsommer am liebsten mit Marzipan und Schoko-Nussecken ausleben möchte – bitteschön! Dagegen sprechen höchstens verklebte Schoko-Finger.

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